Denkmaldatenbank

AVUS Raststätte und Zuschauertribüne

Obj.-Dok.-Nr. 09040497
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Westend
Adressen Halenseestraße 49, 51

Messedamm 23

Avus
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Verwaltungsgebäude & Gaststätte & Turm & Tribüne
Datierung 1936-1937, 1977
Entwurf Bettenstaedt, Walter & Wilms, Fritz (Architekt)
Entwurf Rümmler, Rainer Gerhard (Architekt)
Ausführung Philipp Holzmann AG (Baugeschäft)
Bauherr Avus Automobil-Verkehrs-Übungs-Strecke AG

Unmittelbar südlich des Messegeländes grenzt das weiträumige Autobahndreieck Funkturm an. Hier, wo die Bundesautobahn A 115 ihren Anschluss an die Stadtring hat, liegen die Zuschauertribüne und die Raststätte der AVUS, Halenseestraße 47/51, die an die erste autobahnähnliche Strecke der Welt erinnern. (1) Die heute in die Bundesautobahn A 115 integrierte ehemalige Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße (AVUS) entstand 1913-21 auf Anregung des "Kaiserlichen Automobil-Clubs". Die schnurgerade 8,3 Kilometer lange Trasse führte von der Charlottenburger Stadtgrenze bis nach Nikolassee. Ihre zwei kreuzungsfreien Bahnen wurden parallel zur Berlin-Wetzlarer-Eisenbahn durch den Grunewald gelegt und hatten eine verbindende Nord- und Südschleife, sodass sich ein Rundkurs ergab. Die AVUS diente bis zur ihrer Anbindung an die Reichsautobahn 1940 als private Renn- und Teststrecke und nicht dem öffentlichen Verkehr. Bereits bei den ersten Autorennen wurden Geschwindigkeiten bis zu 130 km/h erreicht. Entlang der Strecke gab es acht Holztribünen und am Scheitelpunkt der Nordschleife ein 1923 erbautes Verwaltungs- und Terrassengebäude mit Zuschauerplätzen. (2) Von diesen anfänglichen Bauten hat sich nichts bewahrt. Das Terrassenhaus fiel Mitte der 1930er Jahre der neuen Halenseestraße und dem Ausbau zu einer Höchstgeschwindigkeitsrennstrecke zum Opfer, als die Nordschleife zu einer Steilkurve umgebaut und damit die AVUS zur schnellsten Rennstrecke der Welt wurde. (3) Das NS-Regime hatte die Begeisterung für den Rennsport für seine Propagandazwecke zu Nutzen gewusst und den Ausbau vorangetrieben, zu dem die überkommenden Gebäude gehören.

Die 1936-37 errichtete neue Zuschauertribüne entwarf Magistratsoberbaurat Walther Bettenstaedt vom Wilmersdorfer Bezirksamt unter Mitwirkung des Architekten Fritz Wilms. (4) Um einen guten Überblick auf Start und Ziel und auch die Steilkure zu haben, errichtete man den Bau auf dem äußerst schmalen Bauplatz zwischen Messedamm und der Rennstrecke. Der architektonisch zurückhaltende Zweckbau wirkt vor allem durch seine sachliche und klare Konstruktion des fast freitragenden, stählernen Tribünendaches. Für seine Tragkonstruktion war der Ingenieur Neukam von der Berliner Stahlbau GmbH verantwortlich, die die Stahlkonstruktion in nur vier Wochen montierte. Über ihrer gesamten Länge von 240 Metern wird die über zehn Meter tiefe Überdachung nur alle zwölf Meter im hinteren Bereich gestützt, sodass die 4.500 Zuschauer einen weitgehend freien Blick auf das Renngeschehen hatten. (5) Auf der Rückseite wird der Tribünenbau von einem Pfeilergang erschlossen, der über die gesamte Hausbreite verlaufend auf die Architektur der damals gegenüberliegenden Deutschlandhalle Bezug nahm. Dieser ging aufgrund des Abbruchs der Halle 2011 verloren. Auch die Tribüne war nach der Beendigung des Rennbetriebs 1998 gefährdet. Nach jahrzehntelangem Leerstand begann mit der denkmalgerechten Erneuerung des Daches 2018 ihr Umbau zu einem Ausstellungs- und Veranstaltungsort.

Auch das zur gleichen Zeit entstandene neue Verwaltungsgebäude der AVUS, die heutige Raststätte, verfügte über Zuschauerplätze. Von den vier offenen Umgängen am angegliederten Beobachtungsturm hatte man einen spektakulären Blick auf das Renngeschehen in der nahen Steilkurve. Der ebenfalls von Walther Bettenstaedt entworfene Bau fand seinen Platz im Winkel zwischen Avus-Auffahrt und Ausgang der Nordkurve, sodass er auch von Zielrichtern genutzt werden konnte. Von einem sparsam gestalteten viergeschossigen Rechteckbau für die Verwaltung (6) setzt sich allein der runde Turmanbau markant ab. In seiner Rundform spiegelt sich die damalige Streckenführung als auch die um ihn kreisende Dynamik des Rennsportes wider. Zugleich klingen in der Gegenüberstellung von Rundungen und Flächigkeit Stilelemente der Neuen Sachlichkeit nach. Aufgrund von Kriegsschäden und Umbauten hat sich das Erscheinungsbild allerdings vor allem im Innern stark verändert. 1969 wurde der Verwaltungsbau zu einem Hotel umgebaut, das Rainer G. Rümmler von der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen 1976 mit einem Anbau erweiterte. Zwei Jahre später baute Rümmler die Gasträume zur heutigen Autobahngaststätte aus. Mit dem hohen Mercedes-Stern auf dem Turmdach, der an die siegreichen Silberpfeile der Mercedes-Rennwagen erinnert, wurde der Rundbau zum Wahrzeichen für den automobilen Rennsport in Berlin. Seit der Einstellung des Rennbetriebs 1998 hat er seine Funktion als Beobachtungsort des Renngeschehens verloren. Als signifikanter Endpunkt der AVUS verkörpert er weiterhin das schon von weitem sichtbare südliche Eingangstor nach Berlin. Die nahe Nordkurve, die 1967 zu einer flachen Wendeschleife zurückgebaut wurde, blieb im Grundriss erhalten. Sie ist heute Teil des großen LKW-Rastplatzes. (7)


(1) DBZ 48 (1914), T. 2, S. 696-698; DBZ 71 (1937), S. B 471; Bautechnik 14 (1936), S. 735-737: Neukam, Ch.: Stahlkonstruktion an der Nordschleife der Avus. In: Der Stahlbau 9 (1936), S. 198 f.; Berliner Stahl-Hochbauten, hrsg. v. Deutschen Stahlbau-Verband, Berlin 1936, S. 26 f.; BW 27 (1936), S. 332; BW 28 (1937), S. 480; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Textband u. Tafelband, Berlin 1961, S. 232-234 (dort weitere Literaturangaben); Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VIII, Bauten für Handel und Gewerbe, Bd. B, Gastgewerbe, Berlin 1980, S. 51; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VII, Bd. C, Sportbauten, Berlin 1997, S. 153-156, 207; Geschichtslandschaft Berlin, Orte und Ereignisse, Bd. 1, hrsg. v. Helmut Engel, Stefi Jersch-Wenzel, Wilhelm Treue, Charlottenburg, Teil 2, Der neue Westen, Berlin 1985, S. 129-145; Wolfgang Schäche, Architektur und Städtebau in Berlin zwischen 1933 und 1945 (Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Beih. 17), Berlin 1991, S. 515 f.; Fischer, Gerhard: Berliner Sportstätten, Geschichte und Geschichten, Berlin 1992, S. 92-108; Wörner, Martin/Mollenschott, Doris/Hüter, Karl-Heinz: Architekturführer Berlin, 5. Aufl. Berlin 1997, S. 133, Nr. 216.

(2) Der Entwurf stammt von Edmund Meurin. Vgl. BW 16 (1925), S. 237-240; DBZ 59 (1925), S. 249-253; Margold, Emanuel Josef (Hrsg.): Bauten der Volkserziehung und Volksgesundheit, Berlin 1930, S. 342 f.

(3) "Am 30. Mai 1937 fand das erste Rennen nach dem Umbau statt. Bernd Rosemeyer erhöhte mit seinem Formel-1-Wagen den Rundenrekord auf 276,4 km/h., womit die Avus sich als schnellste Rennstrecke der Welt auswies", Zitat nach: Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VII, Bd. C, Sportbauten, Berlin 1997, S. 156

(4) Fritz Wilms (1886-1958) war als Berliner Architekt vor allem spezialisiert auf den Bau von Lichtspielhäusern.

(5) Die stählerne Tragkonstruktion besteht aus Kragträgern auf drei- und vierstieligen Rahmen.

(6) Hier waren neben Räumen für die Avus Automobil-Verkehrs-Übungs-Strecke AG auch die der Reichsautobahndirektion untergebracht.

(7) 1936-40 erfolgte der Abbau der Südkehre für die Anbindung an den Berliner Ring in südlicher Richtung. Mit dem Umbau der Nordkurve von einer Steil-zu einer Flachkurve war 1967-71 auch die Anbindung der AVUS an den Berliner Stadtring verbunden.

Literatur:

  • Berliner Stahl-Hochbauten, 1936 / Seite 26
  • Der Stahlbau 9 (1936) / Seite .
  • Geschichtslandschaft, Charlottenburg 2, 1985 / Seite 129ff.
  • Fischer, Berliner Sportstätten, 1992 / Seite 92-108
  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 232-233
  • BusB VIII B 1980 / Seite 51
  • Donath, Matthias: Architektur in Berlin 1933-1945, Berlin 2004 / Seite 118

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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