Denkmaldatenbank

Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchhof

Obj.-Dok.-Nr. 09040490,T
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Westend
Adressen Fürstenbrunner Weg 69, 79
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Friedhof & Friedhofskapelle & Verwaltungsgebäude
Datierung 1896
Bauherr Kirchengemeinde der Kaiser-Wilhelm-Gedächniskirche

Zunächst verfügte der am 27. Juli 1896 (1) eröffnete Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchhof, Fürstenbrunner Weg 69/79 nicht über einen eigenen Andachtsraum, sondern die über eine Allee an den neuen Begräbnisplatz angebundene Friedhofskapelle der Luisengemeinde wurde in den frühen Jahren mitgenutzt. Erste provisorische, nicht erhaltene Gebäude, eine hölzerne Wartehalle und ein Abortverschlag, entstanden 1897. (2) Sie verschwanden mit dem Bau der bestehenden Erbbegräbniswände südlich und westlich der erst 1902-03 erbauten Kapelle. Die äußerst repräsentative Erscheinung der Aussegnungshalle musste den gehobenen Ansprüchen der Gemeindemitglieder aus den wirtschaftlich aufstrebenden Gesellschaftskreisen des Berliner Westens genügen. Wiederholt wurden Vermutungen zu einer Entwurfsautorenschaft Heinrich Schwechtens, Architekt der 1891-95 erbauten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz, aufgegriffen. Für den aufwendigen, wenn auch konventionell gestalteten Entwurf des Kapellenbaus zeichnet jedoch der Regierungsbaumeister Otto Hetzel verantwortlich. (3) Mit seinem Büropartner Georg Reimarus hatte er bereits 1898-99 das Gemeindehaus an der Lietzenburger Straße realisiert. Für den Friedhof gestaltete er hingegen eine Kapelle, die weit über die gängigen Ansprüche an die Bauaufgabe hinausreicht. Der gewestete Sakralbau in neoromanischen Formen ist additiv aus mehreren Baugliedern zusammengesetzt. Bestimmend ist die Ostfassade mit dem Glockenturm im Südosten, den ein Rautendach nach Vorbild der rheinischen Romanik abschließt. Er entspricht der Absicht, mit dem heute verlorenen Dachreiter der Kapelle des Luisenkirchhofes konkurrieren zu können. Im Nordosten korrespondiert ein niedriger Treppenturm, wodurch die übergiebelte Eingangsfassade malerisch in Form einer unregelmäßigen Doppelturmanlage gerahmt wird. Der anschließende Saal mit Satteldach ist dreiachsig ausgebildet und wird im Westen von niedrigen Nebenräume abgeschlossen. Sie garantieren einen separaten Eingang zum Leichenraum im Keller und werden vom polygonal gebrochenen Abschluss des Westchores überragt. Die hell verputzten Fassaden gliedern Werksteine aus Sandstein im Bereich der Gewände, Gesimse und Eckquader, die jedoch zurückhaltend im Sinne einer mehrheitlich auf die Bauvolumen reduzierten Gestaltung eingesetzt sind. Davon abweichend ist wiederum die Hauptfassade im Osten angelegt und zeigt aufwendige florale Elemente, in denen sich Formen des monumentalisierten Jugendstils widerspiegeln. Dem entspricht auch das Giebelfeld mit dem aus Sandstein gearbeiteten Hochrelief, das den auferstandenen Christus im Segensgestus mit seitlich knienden Engeln zeigt. Der Innenraum ist heute abgesehen von den dunkel eingefärbten Gipsreliefs von Gotthold Riegelmann an den Saalseiten schlicht gehalten. Bemerkenswert ist die Unterkirche, die nicht nur den Leichenraum, sondern auch einen umlaufenden Kranz aus Grüften aufweist, deren Verkauf die hohen Baukosten der Kapelle mitfinanzieren sollte. Am Außenbau zeichnen sich die unterirdischen Gruftanlagen heute nach Entfernung der früher vorhandenen Gittereinfassungen vornehmlich über in die Fassaden eingelassene Epitaphien aus. Unter den vielfältig gestalteten Erinnerungsmalen fällt das in neoromanischen Formen mit Christuskopf angelegte Epitaph der Familie Albert Jacob auf, das vermutlich von Gotthold Riegelmann geschaffen wurde. Bemerkenswert ist auch, dass Georg Reimarus, Büropartner Hetzels, in der Kapelle beigesetzt ist. Trotz schwerer Kriegsschäden sind nicht nur die Epitaphien, sondern auch die Sarkophage und Särge in den Grüften erhalten. Der Wiederaufbau erfolgte 1952-53 nach Plänen von Alfred Lagotz und umfasste die Erneuerung der Dachwerke. (4) Nordöstlich liegt nahe der Straße die zwischen 1917 und 1921 nach Plänen von Max Werner erbaute Grabkapelle Lemm, die Formen spätantiker Kreuzkuppelkirchen aufgreift. Dem Zeitgeschmack entsprechend wurden neoromanische Elemente, wie das Stufenportal mit aufwendig gearbeiteten Archivolten mit orientalisierenden Gestaltungen, wie dem Kuppeltambur kombiniert. Der reich gestaltete Innenraum oberhalb der Gruft liegt hinter einer antikisierenden Bronzetür und zeigt Marmorverkleidungen und goldgrundige Glasmosaiken der Firma Puhl & Wagner. Innerhalb des reichen Grabmalbestandes auf dem Friedhof, darf das Mausoleum Lemm nicht zuletzt wegen seiner umfangreich erhaltenen Ausstattung als ein Höhepunkt der Sepulkralbaukunst in Charlottenburg gelten.


(1) Bauakte BWA-Charlottenburg, Fürstenbrunner Weg 69/79, Band 1, fol. 5.

(2) Bauakte BWA-Charlottenburg, Fürstenbrunner Weg 69/79, Band 1, fol. 10.

(3) Bauakte BWA-Charlottenburg, Fürstenbrunner Weg 69/79, Band 1, fol. 23-25.

(4) Bauakte BWA-Charlottenburg, Fürstenbrunner Weg 69/79, Band 1, fol. 116-120, 154.

Literatur:

  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 476-478
  • Jochens, Birgit/May, Herbert, Die Friedhöfe in Berlin-Charlottenburg. Geschichte der Friedhofsanlagen und deren Grabmalkultur, Berlin 1994 / Seite 58, 213
  • Deutsche Bauzeitung 45 (1911) 97 / Seite 830
  • Deutsche Bauzeitung 45 (1911) 99 / Seite 846f.
  • Deutsche Bauzeitung 25 (1891) / Seite 8
  • BusB X A 3 1981 / Seite 88

Teilobjekt Kapelle & Gruft

Teil-Nr. 09040490,T,001
Sachbegriff Kapelle & Gruft
Datierung 1902-1903, 1952-1953
Entwurf Hetzel, Otto
Entwurf Lagotz, A.

Teilobjekt Grabkapelle Lemm

Teil-Nr. 09040490,T,002
Sachbegriff Grabkapelle
Datierung 1917-1921
Entwurf Werner, Max
Bauherr Lemm (Fabrikant)

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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