Denkmaldatenbank
Gelände und Gebäude der NSKK-Transportstandarte Speer (sog. Speerplatte)
09040487 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Charlottenburg-Nord |
Adressen | Friedrich-Olbricht-Damm 71 Adam-von-Trott-Straße 7 |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Mannschaftsgebäude & Villa |
Datierung | 1942, um 1970 |
Entwurf | Lörcher, Carl Christoph (Architekt) |
Bauherr | Generalbauinspektion (GBI) |
Nördlich vom Heckerdamm erstrecken sich Kleingartenkolonien bis an den Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal. Dort, wo einst Eisteiche und Ausflugslokale lagen, hat sich seit den 1990er Jahren verstärkt ein Gewerbegebiet herausgebildet. Teil dieses Gebietes ist das ehemalige Kasernengelände der NSKK-Transportstandarte Speer, Friedrich-Olbricht-Damm 71, das als so genannte Speerplatte bekannt wurde. (1) Heute ist der riesige 300 mal 300 Meter große betonierte Fahrzeugabstellplatz allerdings verschwunden. Er wurde 1992 abgebrochen, das Areal von der neuen Adam-von-Trott-Straße erschlossen und ab 2000 mit großflächigen Gewerbegebäuden überbaut. Auch die dazugehörigen Mannschafts- und Verwaltungsgebäude, die den Zweiten Weltkrieg teilweise überstanden hatten, wurden bis auf ein Haus beseitigt. Das zwischen den neuen Gewerbebauten liegende frühere Betriebs- und Verwaltungsgebäude, Adam-von-Trott-Straße 7, ist seitdem das letzte Zeugnis von den megalomanen Plänen Albert Speers zur Neugestaltung der Reichshauptstadt in "Germania", die hier bauliche Spuren hinterließen.
Der Kasernenkomplex entstand 1939-42 auf dem Terrain des ehemaligen Eiswerks Thater nach Plänen von Carl Christoph Lörcher. (2) Die Bauarbeiten lagen in den Händen der Organisation Todt vom Reichsministerium für Bewaffnung und Munition, die unter anderem zuständig für den Bau von Militäranlagen war. (3) In der Nähe des Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanals entstanden zwölf Kasernengebäude: drei U-förmige Häuser für Betrieb und Verwaltung sowie neun weitere als Unterkünfte für das Fahrpersonal. (4) Südlich von den Gebäuden lag der Stellplatz des Baustabes Speer, auf dem bis zu 200 Schwerlastkraftwagen für die Materialtransporte zu den Baustellen Platz fanden. Alle Kasernengebäude waren dreigeschossig, wobei die Erdgeschosse als bombensichere Luftschutzbunker angelegt waren, während die darüberliegenden Stockwerke nur aus verputzten Ziegelmauerwerk bestanden. (5) Das erhaltene Gebäude ist eines der drei U-förmigen Betriebs- und Verwaltungsgebäude und dient heute modernisiert als Bürogebäude. Neben seiner Bauform zeigt er noch besondere charakteristische Merkmale. Über den Hauseingängen mit Naturstein-Gewänden kragen als Verdachung schwere Betonplatten auf klobigen Betonkonsolen aus, die auf das untere ehemalige Bunkergeschoss verweisen. Die Hoffront dazwischen zeigt einen mittigen Führerbalkon, ebenfalls von klotzigen Betonbalken gestützt. Der letzte Bau der Speerplatte zählt neben dem Großbelastungskörper in Tempelhof und den Unterkunftshäusern der Arbeiterstadt "Große Halle" auf dem Gelände des heutigen Waldkrankenhauses Spandau, für die ebenfalls Carl Christoph Lörcher Pläne ausarbeitete, zu den geschichtlichen Denkmalen, die zum logistischen Bereich der Speerplanungen gehörten. (6)
Am östlichen Rand des früheren Kasernengeländes befindet sich die ehemalige Villa Thater, Friedrich-Olbricht-Damm 71, die wohl auch zeitweise von der NSKK-Transportstandarte Speer mitbenutzt worden war. (7) Das Wohnhaus des Eiswerkbesitzers Carl Thater ist der letzte Überrest eines einst bedeutenden Industriezweigs im Norden von Charlottenburg. Das Haus ließ Thater vermutlich Ende der 1870er Jahre errichten 1878 hatten Thaters Neue Berliner Eiswerke auf den feuchten Pfefferluchwiesen Teiche und Schuppen zur Natureisgewinnung anlegen lassen. (8) In der Folgezeit wurden die Anlagen südlich des Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanals, die zu den größten Berlins gehörten, immer wieder erweitert. Um 1900 lagen vor den Schuppen zur Lagerung des Eises vier riesige Eisteiche, die im Sommer vom 1896 begründeten Ausflugslokal Carlshof für Bootsfahrten mitgenutzt wurden. (9) Das große Lokal war mit seinem Gondelteichen und Laubengängen bis in die zwanziger Jahre hinein ein beliebtes Ausflugslokal für die Berliner. (10) Die Thaterschen Großen Eiswerke haben bis etwa 1912 bestanden. Um 1933 erfolgte der Ankauf des Geländes durch das Deutsche Reich, auf dem ab 1939 die Kasernenanlage der NSKK-Transportstandarte Speer entstand. Heute liegt die Thatersche Villa inmitten der neuen Gewerbebauten und wird von einer Gewerbeniederlassung mit angrenzendem Hallenkomplex genutzt. Das Haus ist stark modernisiert worden und hat seinen spätklassizistischen Stuck verloren. Einzig die kubische Bauform und hohe Fensteröffnungen verraten den Villentypus.
(1) Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil III, Bauwerke für Regierung und Verwaltung, Berlin-München 1966, S. 97, 110; Reichhard, Hans J./Schäche, Wolfgang: Von Berlin nach Germania, Ausstellungskat. Berlin 1984, S. 72 f.; Huse, Norbert (Hrsg.): Verloren, gefährdet, geschützt, Baudenkmale in Berlin, Berlin 1988, 137, S. 212 f.: Arnold, Dietmar/Janick, Reiner: Bunker, Sirenen und gepackte Koffer, Berlin unter Stahlbeton, Berlin 2017, S. 162; Bauen in Berlin, 1900-2000, hrsg. v. Josef Paul Kleihues, Jan Gerd Becker-Schwering, Paul Kahlfeldt, Ausstellungskat., Berlin 2000, S. 194; Nitsch, Ute: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Ein Lexikon, hrsg. v. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2003, S. 243 f.
(2) Carl Christoph Lörcher (1884-1966), seit 1931 Mitglied der NSDAP, war 1933 zum Leiter der Reichsstelle für Raumplanung beim Reichserziehungsministerium berufen worden. Ab 1937 war er zuständig für den Bau einer Arbeiterstadt Große Halle für den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Albert Speer in Berlin-Spandau (heute Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau). Vgl. Wasmuths Lexikon der Baukunst, Bd. V, Berlin 1937, S. 376.
(3) Nach dem Tod von Fritz Todt übernahm 1942 der Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt, Albert Speer, das Ministerium. Das Nationalsozialistische Kraftfahr-Korps (NSKK) unterstand nun Speer, der es als Transportstandarte Speer für das Bauvorhaben zur Umgestaltung Berlins einsetzte.
(4) Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil III, Bauwerke für Regierung und Verwaltung, Berlin-München 1966, S. 97.
(5) 1949 ließ die britische Besatzungsmacht Fensteröffnungen in die Stahlbetonwände der Erdgeschosse sprengen, um Wohnraum zu schaffen. Vgl. Arnold, Dietmar/Janick, Reiner: Bunker, Sirenen und gepackte Koffer, Berlin unter Stahlbeton, Berlin 2017, S. 162.
(6) "Alles Einrichtungen, in denen sich das Organisationsvermögen und die absolute, jeder Rücksicht bare Verfügungsgewalt manifestierten, ohne die Hitlers Baupläne schon an der Logistik gescheitert wären." Vgl. Huse, Norbert (Hrsg.): Verloren, gefährdet, geschützt, Baudenkmale in Berlin, Berlin 1988, S. 137.
(7) Hengsbach, Arne: Natureiswerke im Umland Berlins. In: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 21 (1970), S. 94 f.; Thiede, Olaf: Chronologie Potsdam und Umgebung, Ereignisse, Bauwerke, Potsdam 2007, S. 1240; Heintze, Nobert: Eiskeller und Eiswerke in Berlin und Brandenburg, Bd. 1, Geschichtlicher Überblick, Berlin 2014, S. 26-28.
(8) Thiede, Olaf: Chronologie Potsdam und Umgebung. Ereignisse, Bauwerke. Potsdam 2007, S. 1240. Zur gleichen Zeit entstanden hier die Colbergschen Polareiswerke, die Thater 1890 übernahm. (9) Heintze, Nobert: Eiskeller und Eiswerke in Berlin und Brandenburg, Bd. 1, Geschichtlicher Überblick, Berlin 2014, S. 26-28.
(10) Hengsbach, Arne: Aus der Geschichte der Stadtteile Siemensstadt und Haselhorst, Berlin 1954, S. 12; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 562.
Literatur:
- BusB III 1966 / Seite 97, 110
- Huse, Norbert: Bauten des "Dritten Reiches", in: Verloren - gefährdet - geschützt, Berlin 1988 / Seite 137
- Gruhn-Zimmermann, Antonia: "Speerplatte", in: Verloren - gefährdet - geschützt, Berlin 1988 / Seite 212-213
- Reichardt, Schäche: Von Berlin nach Germania, 1985 / Seite 42-43
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Juliane Stamm
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