Denkmaldatenbank

Gustav-Adolf-Kirche mit Gemeinde- und Schwesternhaus

Obj.-Dok.-Nr. 09040480
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Fabriciusstraße 31

Herschelstraße 14
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Kirche ev. & Gemeindehaus & Schwesternhaus
Datierung 1932-1934
Umbau 1950-1951, 1962-1963
Entwurf Bartning, Otto (Architekt)
Ausführung Hallert, Gustav (Baumeister)
Bauherr Evangelische Kirche

Inmitten der Wohnanlage am Bahnhof Jungfernheide erhebt sich die 1932-34 nach Entwurf von Otto Bartning errichtete Evangelische Gustav-Adolf-Kirche, Fabriciusstraße 31, Herschelstraße 14, mit ihrem schlanken hohen Turm und dem ungewöhnlichen, fächerförmig gestaffelten Kirchenschiff. (1) Die 1915 von der Charlottenburger Gemeinde gegründete Filiale im Norden der Stadt war 1920 nach dem schwedischen König Gustav Adolf (2) benannt worden; für einen Kirchenneubau war als Baugrund ursprünglich der südliche Teil des Gustav-Adolf-Platzes (heute Mierendorffplatz) vorgesehen. (3) Ein Wettbewerb mit großer Beteiligung hatte 1925 kein befriedigendes Ergebnis gebracht und auch der Bauplatz erwies sich als ungeeignet. Mit der direkten Beauftragung des renommierten Kirchenbaumeisters Otto Bartning im Jahr 1929 gelang es der Gustav-Adolf-Gemeinde, auf dem neu erworbenen Grundstück an der Kreuzung Brahe- und Herschelstraße einen Gebäudekomplex aus Kirche, Pfarr- und Gemeindehaus zu schaffen, der aufgrund der spektakulären Architektur und Raumwirkung der Kirche heute als "zentrales Werk des modernen Sakralbaus in Berlin" (4) gilt. Nur gut zehn Jahre nach ihrer Fertigstellung wurde die Kirche im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und 1949-51 unter Leitung von Otto Bartning deutlich vereinfacht wieder hergestellt. Eine Rekonstruktion der ursprünglichen Gestaltung der Kirche, die nicht nur Änderungen des Wiederaufbaus zum Teil zurücknahm, sondern aus statischen Gründen auch neue hinzufügte, wurde 1959-62 durchgeführt. (5) Somit vereint die heutige Kirche Bausubstanz und Gestaltungslösungen aus drei Bauphasen zwischen 1932 und 1962; sie ist damit auch ein bedeutendes Beispiel für den Umgang mit den Zeugnissen der ersten Wiederaufbauphase unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.

Otto Bartning hat die Kirche als Stahlbetonskelettkonstruktion mit gelblich-braunem Klinkermauerwerk und großen Glasflächen entworfen. Der Bau breitet sich, vom Turm in der Spitze des trapezförmigen Grundstücks ausgehend, auf einem fächerförmigen Grundriss aus; je zwei Kirchenschiffe sind in Höhe und Breite von der Mitte zu den Seiten abgestuft. Zwei Laubengänge leiten seitlich von der Kirche zu Gemeinde- und Pfarrhaus über, die - durch Grünfläche und Zaun verbunden - das Grundstück nach Norden und Westen einfassen. Im Hofbereich, den man durch die beiden Laubengänge betritt, liegt an der breiten Nordseite der Eingang zur Kirche. An der Südseite war der schlanke Turm ursprünglich wie die seitlich anschließenden Schmalseiten der Kirchenschiffe verglast; seit 1962 zeigt er geschlossene Wandfelder, die wie die übrigen Außenwände mit gelben Klinkern ausgefacht sind.

An der Straßenkreuzung tritt der Gesamtkomplex als kompakte, in sich geschlossene Anlage in Erscheinung, aus der die Kirche in ihrer Höhenstaffelung und mit dem Turm als Kulminationspunkt und städtebauliche Dominante emporsteigt. Die tragende Konstruktion besteht aus sechs Stahlbeton-Rahmenbindern, die zwischen Turm und Emporenring eingespannt sind und von außen zur Kirchenmitte höher werden. Dadurch entsteht im Inneren ein stützenfreier trapezförmiger Raum, in dessen Spitze, am Fuß der Turmrückseite, Altar und Kanzel hintereinander vor einer hohen, schmalen Fensterfläche stehen, die durch ein gemauertes Kreuz unterteilt ist. Der Fußboden fällt vom Eingang zum Altarbereich leicht ab. Die Fensterflächen in den Seitenwänden und Oberlichtbändern der gestaffelten Schiffe sind aus gelblich-braunem Glas, die Fenster hinter dem Altarbereich aus Glas in Grau- und Blautönen mit einigen Akzenten in Rot, die Wände des Altarbereichs mit Goldmosaik und goldlasierten Ziegelsteinen betont. Die Bankreihen stehen in drei Blöcken wie in einem Amphitheater.

Mit dieser Gestaltung, die Altar, Kanzel und Orgel gleichwertig und auf einer Achse in einem offenen Zentralbau anordnet und zugleich einen beeindruckenden, mystisch belichteten Kirchenraum erschafft, hatte Bartning das Ziel verfolgt, einen angemessenen Ausdruck für einen Sakralraum zu finden. In Rezeption des Wiesbadener Programms (6) für protestantische Kirchenbauten hatte Otto Bartning in zahlreichen Bauwerken und Schriften nach der idealen Raumordnung gesucht, die Aspekte der Liturgie wie auch der Transzendenz berücksichtigt; die Gustav-Adolf-Kirche zählt zu den radikalsten seiner Lösungsversuche. Beim 1949-51 durchgeführten Wiederaufbau der Außenmauern, der Dachaufbauten und Fenster sowie der Sicherung des Turmes hatte Bartning zwar auch wegen der knappen Mittel, vor allem aber als Zeichen der Demut vor den Schrecken des Zweiten Weltkrieges eine bewusste Vereinfachung des Innenraums gewählt. (7) Die Rekonstruktion des bauzeitlichen Zustandes 1959-62, die er selbst nicht mehr erlebte, zielte auf Fenster, Wandverkleidungen und Ausstattung. (8) Den größten Eingriff in die Bausubstanz stellte jedoch die statisch bedingte Vermauerung der straßenseitigen Fenster am Turm dar, die den Verlust der Tageslichtbeleuchtung für das mittlere Chorfenster zur Folge hatte. (9) Vom ursprünglichen Bau sind nur noch die handgeschmiedete Kanzelbrüstung von Julius Schramm, die Taufschale aus Messing von Rudolf Koch sowie Taufstein und Altar, die jedoch mit Klinkern neu verblendet wurden, erhalten.


(1) Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 124-128; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1963, Nr. 192; 100 Berliner Bauten der Weimarer Republik, hrsg. v. Senator für Bau- und Wohnungswesen, Berlin 1977, S. 11; Kühne, Günther/Stephani, Elisabeth: Evangelische Kirchen in Berlin, Berlin 1987, S. 44 f.; Wörner, Martin/Mollenschott, Doris/Hüter, Karl-Heinz: Architekturführer Berlin, 5. Aufl. Berlin 1997, S. 155; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VI, Sakralbauten, Berlin 1997, S. 156 ff., 407; Die Gustav-Adolf-Kirche in Berlin-Charlottenburg, Festschrift anlässlich des 65. Jahrestages der Kircheneinweihung, hrsg. v. Gemeindekirchenrat der Ev. Gustav-Adolf-Gemeinde, Berlin 1999; Bauen in Berlin, 1900-2000, hrsg. v. Josef Paul Kleihues, Jan Gerd Becker-Schwering, Paul Kahlfeldt, Ausstellungskat., Berlin 2000, S. 156; Goetz/Hoffmann-Tauschwitz 2003, S. 46; Nierste, Ulrike: Expressionismus und Neue Sachlichkeit, Die Gustav-Adolf-Kirche von Otto Bartning und der Kirchenbau in der Weimarer Republik, Diss. FU Berlin 2010; Deschermeier, Dorothea: Der zweifache Wiederaufbau der Gustav-Adolf-Kirche von Otto Bartning in Berlin, Eine frühe Authentizitätsdebatte. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 41. Bd., Weimar 2014.

(2) Der schwedische König Gustav II. Adolf (1594-1632) hatte 1630 auf der Seite der Protestanten in den Dreißigjährigen Krieg eingegriffen und die kaiserlichen Truppen besiegt; er wird als Retter des Protestantismus in Mitteleuropa geehrt. Die Bauarbeiten für die Kirche begannen an seinem 300. Todestag, am 16. November 1932. Der heutige Mierendorffplatz hatte bereits 1913 den Namen Gustav-Adolf-Platz erhalten. Vgl. Wikipedia, Stichwort "Mierendorffplatz"

(3) Allererste Überlegungen sahen 1913 einen Kirchenneubau auf dem Goslarer Platz vor. Vgl. Nierste, Ulrike: Expressionismus und Neue Sachlichkeit, Die Gustav-Adolf-Kirche von Otto Bartning und der Kirchenbau in der Weimarer Republik, Diss. FU Berlin 2010, S. 4 f.

(4) Bauen in Berlin 2000, S. 156.

(5) Den zweiten Wiederaufbau leiteten Otto Dörzbach und Erich Glas, Otto Bartning war 1959 gestorben. Aus finanziellen Gründen wurden allerdings nicht alle bauzeitlichen Lösungen wiederhergestellt. Vgl. Deschermeier 2014, S. 267-287, S. 279 ff.

(6) Merkmale von nach dem Wiesbadener Programm gebauten Kirchen: Die Predigt steht im Mittelpunkt, der Charakter der Kirche ist der Versammlungsraum, ein nicht in Schiffe und Chor unterteilte Innenraum sowie die Einheit von Kanzel, Altar und Orgel in der Mittelachse. Vgl. Deschermeier 2014, S. 267.

(7) Reduzierung der Fensterflächen, Schließen der seitlichen Chorfenster, Flachdach statt Satteldach über dem Mittelschiff, einfache Bänke und Lampen. Vgl. Deschermeier 2014, S. 274 ff.

(8) Unter anderem wurden die nach Entwurf von Bartning von der Firma Puhl & Wagner gefertigten Glasfenster 1961 von der Nachfolgefirma anhand der bauzeitlichen Skizzen und Materialproben rekonstruiert, in der Chorwand die seitlichen Fenster wieder geöffnet, die Wandverkleidung mit Glaskeramik und Goldfugen sowie die der Seitenwände unter den Fenstern im Ulmenholz wieder hergestellt. Vgl. Deschermeier 2014, S. 281.

(9) Stattdessen entschied man sich für eine Beleuchtung des Altarfensters durch Neonröhren, die zwar das Bild wiederherstellen, die von Bartning geforderte "Wahrhaftigkeit" der Konstruktion jedoch zerstörte. Vgl. Deschermeier 2014, S. 281.

Literatur:

  • Rave/ Knöfel: Bauen seit 1900 / Seite Obj. 192
  • Weber-Liste / Seite .
  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 124-128
  • Lorenz, Werner; May, Roland; Staroste, Hubert: Ingenieurbauführer Berlin, Petersberg 2020 / Seite 316f.

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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