Denkmaldatenbank
Mietshausgruppe Bolivarallee 9 Eichenallee 61, 63
09040469 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Westend |
Adressen | Bolivarallee 9 Eichenallee 61, 63 |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Mietshausgruppe |
Datierung | 1929-1930 |
Entwurf | Behrens, Peter (Architekt) |
Bauherr | Pohlandt, Walter (Dr. jur.) |
Ausführung | Walter Wunsch (Baugeschäft) |
Die aus drei gereihten Wohntrakten bestehende Mietshausgruppe Bolivarallee 9, Eichenallee 61/63 besetzt in städtebaulich exponierter Lage das nordwestliche Eckgrundstück zwischen der Bolivarallee und Eichenallee. (1) Sie ist ein eigenwilliges Beispiel der Bewegung des Neue Bauens in seiner Spätphase um 1930, beeinflusst etwa durch Bauten Erich Mendelsohns oder Hans Scharouns. (2) Architekt der 1929-30 errichteten Mietshausgruppe war der damals schon weithin bekannte Peter Behrens, den der Jurist Walter Pohlandt für sein Bauvorhaben mit prägender Wirkung im Stadtbild engagiert. (3) Aus stadtbaukünstlerischen Gründen entwickelte Behrens einen außergewöhnlichen Baukörper, der sich durch eine markante Eckbetonung auszeichnet: Sie ist in der Form eines Halbzylinders ausgebildet und besitzt vier ringförmige Balkone mit elegantem Geländer sowie ein dreiteiliges, verglastes Eingangsportal. Das markante Motiv der gerundeten Ausluchte findet sich in ausgeprägt schlanker Form auch an den Außenkanten des fünfgeschossigen Ecktrakts. An den beiden viergeschossigen Trakten in der Eichenallee sind zwischen die halbrunden Erker formschöne abgerundete Doppelbalkone gespannt. Sogar der markante Straßenknick ist durch den ständigen Wechsel von Fläche zu Rundung optisch kunstvoll überspielt. Von der damaligen Modernität der Mietshausgruppe zeugt die Stahlskelettbauweise, das kaum sichtbare Dachgeschoss mit zwei Ateliers und Terrassen sowie die Automobilgarage im Kellergeschoss, ursprünglich das Autoheim Eichenallee. Im Entree des Ecktrakts hat sich ein abstraktes Fußbodenmosaik erhalten, das sogar die ovale Vertiefung für Fußabtreter gestalterisch einbezieht. Es führt ebenso wie die beiden Hauseingänge an der Eichenallee zu den komfortablen Vier- und Sechszimmerwohnungen, deren Wohnräume sämtlich straßenseitig nach Osten und Süden ausgerichtet sind. Eine Überraschung bietet die rückwärtige Front der Mietshausgruppe: Sie präsentiert sich - in scharfem Gegensatz zur neusachlichen Straßenfront - im Gewand eines traditionellen Mietshaushauses vor dem Ersten Weltkrieg: Walmdach, Verputz, Fensterformate und sogar zwei Brandwände mit Anbauoption erinnern an die Höfe der Berliner Standartarchitektur der Kaiserzeit.
Nur die auffallend breite und stark durchfensterte Rundung im Winkel zur Straßenecke von Bolivar- und Eichenallee verweist auf ein unübliches, seltenes Baudetail: Das Treppenhaus ist zweischalig konstruiert: Im Kern liegt der Fahrstuhl, um dessen Schacht zwei sich zwei Erschließungstreppen winden: Die innere Treppe für die Bewohnerinnen und Bewohner ist, getrennt durch eine Sichtschutzverglasung, von einer äußeren Treppe umschlossen, die den Dienstboten den direkten Zugang zur Küche der jeweiligen Etage ermöglichte. Diese außergewöhnliche Zusammenlegung von Bewohner- und Dienstbotentreppe in einem einzigen Treppenhaus ist eine individuelle Lösung des Architekten Peter Behrens. (4)
(1) Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil IV, Wohnungsbau, Bd. A, Die Voraussetzungen, Die Entwicklung der Wohngebiete, Berlin 1970, S. 279, XXII; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil IV, Wohnungsbau, Bd. B, Die Wohngebäude, Mehrfamilienhäuser, Berlin-München-Düsseldorf 1974, S. 71-73, S. 397, Nr. 936; 100 Berliner Bauten der Weimarer Republik, hrsg. v. Senator für Bau- und Wohnungswesen, Berlin 1977, S. 42; Wörner, Martin/Mollenschott, Doris/Hüter, Karl-Heinz: Architekturführer Berlin, 6. Aufl., Berlin 2001, S. 191, Nr. 307; Haddenhorst, Michael/Börsch-Supan, Helmut: Westend, Berlin 1997, S. 106; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Berlin, bearb. v. Sibylle Badstübner-Gröger, Michael Bollé, Ralph Paschke u. a., 3. Aufl., durchgesehen u. ergänzt v. Michael Bollé, München-Berlin 2006, S. 483; Crohn, Carsten: Peter Behrens, Architektur, Wiesbaden 2015, S. 244 f. und Grundrisse: S. 25.
(2) Beispielhaft seien hier genannt: Mendelsohns Haus des Deutschen Metallarbeiter-Verbands von 1929 in Kreuzberg (konkave Ausformung der Gebäudeecke), Wohnanlage des Woga-Komlexes von 1927 (Ausschwingen der Fassade durch gerundete Balkone und Erker), Scharouns Apartmenthaus am Hohenzollerndamm von 1928-29 (Flachdach mit Ateliers und zurückversetzter Terrasse, große Automobilgarage im Kellergeschoss), beide Charlottenburg.
(3) Die Mietshausgruppe ist ein Spätwerk des berühmten Architekten Peter Behrens und eines seiner wenigen Mehrparteienhäuser.
(4) Das Haus Bolivarallee 9 ist 2020/2021 durch Kerschischnik Architekten umfassend restauriert worden.
Literatur:
- BusB IV B 1974 / Seite 71-73, 397, Obj. 936
- Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1963 / Seite Nr. 39
- Höchst Heute Nr. 97, 1990 / Seite 47
- Rave, Knöfel/ Bauen seit 1900, 1968 / Seite (Architektenverzeichnis)
- BusB IV A 1970 / Seite 277-279
- 100 Berliner Bauten der Weimarer Republik, 1977 / Seite 42
- Reclam Berlin, 1977 / Seite 483, Nr. 72
- Windsor, Alan/ Peter Behrens, Architekt und Designer, Stuttgart 1985 / Seite 166
- Architekturführer Berlin, 1989 / Seite 72, Nr. 113.
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem
- Tel.: (030) 90259-3653
- Fax: (030) 90259-3700
- E-Mail juliane.stamm@lda.berlin.de
Verkehrsanbindungen
-
U-Bahn
-
Bus
-
Jüdenstr.
- 248
- 300
-
Nikolaiviertel
- N8
- N40
- N60
- N65
-
Jüdenstr.