Denkmaldatenbank

Lietzowkirche

Obj.-Dok.-Nr. 09040459
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Alt-Lietzow 30
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Kirche ev. & Gemeindehaus
Datierung 1960-1962
Entwurf Walthausen, Ludolf von (Architekt)
Ausführung Lenz Bau AG (Baugeschäft)
Bauherr Luisengemeinde Charlottenburg

Im Ostteil des Platzes steht die Evangelische Kirche Alt-Lietzow, Alt-Lietzow 30, die 1960-61 nach Plänen von Ludolf von Walthausen als zeltartiger Saalbau mit frei stehendem Glockenturm, separater Sakristei und Gemeindehaus ausgeführt wurde. (1) Der im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte Vorgängerbau, 1910-11 nach Entwurf von Jürgen Kröger als Zentralbau in neobarocken Formen mit Platz für 900 Gläubige errichtet, wurde nicht wieder aufgebaut, da er mit seiner Größe nicht mehr zeitgemäß war. Stattdessen orientierte sich Ludolf von Walthausen bei seinem Entwurf an der sehr viel kleineren ehemaligen Dorfkirche aus dem 15. Jahrhundert, die 1848-50 nach einem Entwurf August Stülers umgebaut und 1910 abgerissen worden war. (2) Von dem spätgotischen Backsteinbau, einem breiten Rechtecksaal mit Satteldach und kleinem Dachreiter, nimmt der Nachkriegsbau Form und Maßstab auf; zudem bringt er mit dem steilen, tief heruntergezogenen Satteldach das Motiv der "Kirche als Zelt" zum Ausdruck. Mit dieser in den 1950er und 1960er Jahren verbreiteten Bildhaftigkeit sowie einer bewussten Einfachheit in der Gestaltung und einer stärkeren Betonung der Gemeindebauten suchte man nach dem Krieg eine Erneuerung für die Sakralarchitektur. (3)

Die aus Kirche, Sakristei, Glockenturm und Gemeindehaus mit Saalbau bestehende Anlage ist um einen Innenhof gruppiert und durch einen gedeckten Gang an der Ostseite und eine Mauer im Westen zusammengefasst. Die Kirche ist mit Stahlbeton-Fertigteilen und hölzerner Dachkonstruktion ausgeführt; sie zeigt an der Eingangsfassade ein schlichtes Portal in einer fensterlosen Ziegelwand, die seitlich von schmalen senkrechten Rippenfenstern eingefasst ist. (4) Der gedeckte Gang dient dem Eingang als Vordach und führt von der Straße bis zum Saal des Gemeindehauses. Die nach dem "Nur-Dach-Prinzip" bis zum Boden herunter gezogenen Dachflächen der Kirche sind im unteren Bereich dreieckförmig hochgezogen, sodass die V-förmigen Betonstützen sichtbar werden. Nur die Seite zum Innenhof ist verglast, die Belichtung des Kirchenraumes erfolgt somit hauptsächlich von Süden; an der Nordseite gibt es ein schmales Lichtband. Im Grundriss verjüngt sich der Raum von der Eingangsseite mit Empore hin zum Altarbereich, der wiederum die volle Breite einnimmt und durch seitliche Fenster indirekt belichtet wird. Vor der geschlossenen Stirnwand sind Altartisch, Taufbecken und Kanzel angeordnet, die Dachflächen sind innen mit Lärchenholz verkleidet, der ungeteilte Raum wirkt hell und klar gegliedert. 2006 wurde ein Taufstein wieder aufgestellt, der aus dem mittelalterlichen Vorgängerbau stammt und durch eine Inschrift auf das Jahr 1599 datiert ist. (5) Das Gemeindehaus, ein zweigeschossiger, in kubischen Formen gestalteter und mit Backsteinen verblendeter Baukörper mit einem eingeschossigen, verglasten Saalbau, erstreckt sich entlang der Südseite des Grundstücks; der frei stehende Glockenturm ist als Stahlskelett mit Lamellenverkleidung auf einem rautenförmigen Betonsockel errichtet.


(1) Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 56; Kühne, Günther/Stephani, Elisabeth: Evangelische Kirchen in Berlin, Berlin 1987, S. 30; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VI, Sakralbauten, Berlin 1997, S. 231 f., 419; Nitsch, Ute: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Ein Lexikon, hrsg. v. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2003, S. 143; Wittmann-Englert, Kerstin: Zelt, Schiff und Wohnung, Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne, Lindenberg im Allgäu 2006, S. 30 f.

(2) Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 48-56; Kühne/Stephani 1978, S. 28-30; BusB VI, S. 67 f., 349, 362, 392 (mit weiteren Literaturangaben. Die Kirche Alt-Lietzow gehört, wie schon ihre Vorgängerbauten ab 1708, zur Charlottenburger Gemeinde (heute Evangelische Luisen-Kirchengemeinde). Mit der Einführung der Reformation in Brandenburg 1539 wurde die Lietzower Dorfkirche eine Filiale der Wilmersdorfer Kirchengemeinde. Vgl. Kühne/Stephani 1978, S. 28.

(3) BusB VI, S. 227 ff.; Wittmann-Englert 2006, S. 11 f., 17 ff., 30 f.

(4) Hinter der Wand befindet sich im Inneren die Orgel.

(5) Der etwa einen Meter hohe Taufstein besteht aus sächsischem Sandstein und gehörte zur ehemaligen Dorfkirche. Er befand sich zuletzt im Märkischen Museum, wurde restauriert und der Kirche Alt-Lietzow als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt. (Pressemitteilung des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf vom 27.9.2006)

Literatur:

  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 48-57
  • Charlottenburg - Ein Vierjahresbericht des Bezirksamtes Charlottenburg von Berlin 1957-1960, hrsg. v.Bezirksamt Charlottenburg, Berlin 1960 / Seite 103 (Abbildung Modell und Baustelle)

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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