Denkmaldatenbank

Physikalisch-Technische Reichsanstalt

Obj.-Dok.-Nr. 09040458
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Abbestraße 2, 4, 6, 8, 10, 12

Fraunhoferstraße 1, 3, 5, 7

Guerickestraße 18

Marchstraße 25, 25A, 25B
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Observatorium & Wohnhaus & Laboratorium & Maschinenhaus & Einfriedung
Datierung 1887-1891
Umbau 1936, 1954
Entwurf Astfalck, Theodor (Architekt)
Entwurf Herrmann & Gaedicke (Architekt)
Bauherr Physikalisch-Technische Reichsanstalt

Südlich der Guerickestraße erstreckt sich bis zur Fraunhoferstraße über zwei Baublöcke entlang der Abbestraße heute der Campus des Instituts Berlin der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) mit zahlreichen Gebäuden aus unterschiedlichen Bauphasen. (1) Dazu gehören neben aktuellen Neubauten und dem ehemaligen Arbeitsschutzmuseum an der Kohlrauschstraße im östlichen Straßengeviert die historischen Gebäude der 1887-97 nach Entwürfen von Paul Spieker und Theodor Astfalck errichteten Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, Abbestraße 2/12 u.a.. (2) Die in einem parkartigen Gelände gelegenen, in schlichten Neorenaissanceformen gestalteten gelben Klinkerbauten repräsentieren eine der bedeutendsten staatlichen Forschungseinrichtungen, die im Bereich Metrologie, Normierung und Präzisionstechnik bald nach ihrer Gründung 1887 internationale Bedeutung erlangte. (3) Initiator war Werner von Siemens, der das Grundstück zur Verfügung stellte und die ersten Baukosten übernahm; als erster Präsident wurde der renommierte Physiker Hermann von Helmholtz berufen. Namhafte Wissenschaftler führten in den Gebäuden wegweisende Grundlagenforschung durch, die weltweite Beachtung und mehrere Nobelpreise erzielten sowie einen großen Anteil an der Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklung der deutschen Wissenschaft und Wirtschaft im 20. Jahrhundert hatten. Neuartig waren vor allem die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Industrie sowie die Befreiung der Forscher von Lehrverpflichtungen.

Von den 1887-91 ausgeführten Bauten für die physikalische Abteilung ist im Zentrum des Geländes an der Marchstraße das so genannte Observatorium erhalten, das nach schweren Kriegsschäden 1961-62 vereinfacht wiederaufgebaut und 2012 umfassend saniert wurde. (4) Der dreigeschossige Bau auf annähernd quadratischem Grundriss zeichnet sich vor allem durch seine konstruktiven Besonderheiten aus: Für mathematisch-physikalische Messungen und Beobachtungen wurden durch eine zwei Meter starke Betonfundamentplatte und doppelte Umfassungsmauern konstante Temperaturen und Erschütterungsfreiheit gewährleistet. Auch die Lage inmitten eines Parks im Zentrum des Geländes diente diesen Zwecken. Die Gestaltung mit Dachaufbau, Beobachtungstürmchen und mit Fassaden, die mit gelben Klinkern verblendet und durch Risalite, Rundbogenportal, Konsolgesims, Stichbogenfenster und gekuppelte Rundbogenfenster im dritten Obergeschoss gegliedert sind, verleiht dem Gebäude eine würdevolle Wirkung. Die Bauten für die technische Abteilung entstanden in der zweiten Bauphase 1894-97; von diesen sind das Hauptgebäude und das Beamtenwohnhaus an der Abbestraße sowie Laboratorium und Maschinenhaus an der Guerickestraße noch vorhanden. In der Gestaltung der Fassaden sind die Bauten an das Observatorium angepasst, so zeigt das lang gestreckte, viergeschossige Hauptgebäude mit zwei Seitenflügeln ebenfalls einen Dachaufsatz und die gleiche Fenstergliederung. Das kleine Beamtenwohnhaus an der Ecke Abbe- und Fraunhoferstraße ist schlichter gestaltet und hat ein weit überstehendes flaches Walmdach. An das zweigeschossige Maschinenhaus am nördlichen Rand des Grundstücks, das mit Rundbogenfenstern und schmalen Gesimsen gegliedert ist, schließt sich ein hoher Putzbau an, der 1911-13 als Starkstromlaboratorium errichtet und in den 1930er Jahren erweitert wurde. Nach Schäden im Zweiten Weltkrieg wurde es wiederhergestellt und 1970-73 aufgestockt. (5) Die Kombination aus Institutsbauten und Wohnhäusern in einer parkähnlichen Anlage ist typisch für die Wissenschaftsbauten vor der Jahrhundertwende, ebenso die Ausführung in gelben Verblendziegeln.


(1) Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), das nationale Metrologieinstitut, ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Der Hauptsitz ist Braunschweig, Das Institut Berlin (IB) auf dem historischen Gelände der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Charlottenburg beherbergt zwei der acht Fachabteilungen mit den Themen Thermometrie, Radiometrie, Medizinphysik sowie Mathematik und Informationstechnik für die Metrologie. Ferner nutzt das IB in Berlin-Adlershof die Elektronenspeicherringe MLS und BESSY II. Vgl. www.ptb.de

(2) Die Straße ist benannt nach dem Physiker und Sozialreformer Ernst Abbe (1840-1905). Vgl. ZdB 6 (1886), S. 157 f.; Architekten-Verein zu Berlin u. Vereinigung Berliner Architekten (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Bd. II, Berlin 1896, S. 80-84; A. Herzberg u. D. Meyer (Hrsg.): Ingenieurwerke in und bei Berlin, Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Vereins Deutscher Ingenieure, Berlin 1906, S. 60-67; Zenneck, Jonathan: Werner v. Siemens und die Gründung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (Abhandlungen und Berichte des Deutschen Museums), München 1931; Der Bär von Berlin 6 (1956), S. 129-134; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 254-256; Rürup, Reinhard (Hrsg.): Wissenschaft und Gesellschaft, Beiträge zur Geschichte der Technischen Universität Berlin 1879-1972, Bd. 1, Berlin/Heidelberg/New York 1977, S. 254-257; Geschichtslandschaft Berlin, Orte und Ereignisse, Bd. 1, hrsg. v. Helmut Engel, Stefi Jersch-Wenzel, Wilhelm Treue, Charlottenburg, Teil 1, Die historische Stadt, Berlin 1986, S. 345-357; Cahan, David: Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt im Deutschen Kaiserreich, Weinheim-New York-Basel-Cambridge 1992; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil V, Bd. B, Hochschulen, Petersberg 2004, S. 193 f., 312; Schäche, Wolfgang/Jacobs, Brigitte/Szymanski, Norbert: Bauten für die Wissenschaft, Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt/Bundesanstalt in Berlin-Charlottenburg 1887-2012, Berlin 2012.

(3) Die Vereinheitlichungen von Maßen und Normen, die Entwicklung von Messverfahren und Messeinrichtungen sowie in der Zusammenarbeit von Forschung und Industrie waren die Hauptaufgaben der PTR. Vgl. Schäche/Jacobs/Szymanski 2012.

(4) Verwaltungsgebäude, Direktorenwohnhaus, Kälte-Laboratorium und magnetisches Häuschen sind bis 1958 abgerissen worden. Vgl. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 255.

(5) In den 1930er Jahren erweitert durch Stegmann und Bruckmann.

Literatur:

  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 254-256, mit Literatur
  • Hoffmann, Andreas/ Physikalisch-Technische Reichsanstalt =Geschichtslandschaft, Charlottenburg 1, 1986 / Seite 345-357
  • Cahan, David, Meister der Messung. Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt im Deutschen Kaiserreich, Weinheim/New York/Basel/Cambridge 1988 (?) / Seite mit Literatur
  • Der Bär von Berlin (1956) 6 / Seite 108-134

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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