Denkmaldatenbank

Bauten auf dem Friedhof Heerstraße

Obj.-Dok.-Nr. 09040091,T
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Westend
Adressen Trakehner Allee 1
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Friedhofskapelle & Verwaltungsgebäude & Blumenhalle & Tor & Einfriedung
Datierung 1921-1924
Entwurf Blunck, Erich (Architekt)

Für den Friedhof Heerstraße, Trakehner Allee 1, entwarf Regierungsrat Erich Blunck die Friedhofsgebäude. (1) Kapelle, Verwaltungsbau und Blumenhaus, die zeitgleich mit der Anlage des Friedhofs 1921-24 entstanden, liegen entlang der Trakehner Allee. Sie stehen für eine konzeptionell gelungene architektonische Einpassung in die gartenkünstlerische Friedhofsanlage mit ihrer stark bewegten Topographie. Sie erfuhren allerdings 1935-36 im Zusammenhang mit dem Ausbau des Reichssportfeldes für die Olympischen Spiele zum Teil starke Veränderungen, für die Karl Schellberg von der Preußischen Staatshochbauverwaltung verantwortlich zeichnete. Nordöstlich der Friedhofsverwaltung liegt die Friedhofskapelle landschaftlich reizvoll oberhalb des Sausuhlensees. Für ihren Bauplatz wurde die höchste Erhebung des stark abfallenden Geländes gewählt, wodurch der würfelförmige zweigeschossige Backsteinbau noch wuchtiger in Erscheinung tritt. War doch die Maßstabsteigerung Erich Bluncks (2) hier Leitmotiv. Dazu diente auch die steil aufragende konvexe Dachpyramide, die 1935 auf direkte Anordnung Adolf Hitlers abgetragen und durch ein flaches Zeltdach ersetzt wurde. Das weithin sichtbare hohe Dach störte die gewünschte monumentale Wirkung des nahen Olympiastadions. Auch nahmen wohl die Nationalsozialisten an der Interkonfessionalität des Friedhofs mit vielen jüdischen Grabstätten Anstoß. Weitere bauliche Veränderungen ließen die Kapelle noch blockhafter und kubischer erscheinen. So wurden unter anderem das Pultdach der dreiseitig umlaufenden Wartehalle durch ein Flachdach ersetzt, ihre ursprünglich halbrunden kleinen Öffnungen in hohe Spitzbogenarkaden umgebaut, wodurch der expressionistische Bau gotisierender wirkt. Hinzu kam über den Arkaden ein neuer schmaler Umgang mit Brüstung, der einst über eine gewölbte Brücke von der Trakehner Allee her für Besucher des Reichssportfeldes zugänglich gemacht wurde, um ihnen hier eine attraktive Aussicht auf den Sausuhlensee zu bieten. Als einziger plastischer Schmuck kamen nach der Entfernung der Eckbekrönung neben?? vier Engeln zwischen den Arkadenbögen expressiv gestaltete Reliefköpfe von Paul Wynand hinzu, die Christus mit Dornenkrone und trauernde Apostel darstellen. Im Untergeschoss, das an der Talseite des Geländes auf drei Seiten als Vollgeschoss in Erscheinung tritt, liegt die Leichenhalle an der Zufahrt.

Das prachtvolle Innere der Kapelle ist durch den Umbau nicht wesentlich verändert worden. In den hohen kubischen Kapellensaal mit Kassettendecke ist durch Eckeinsprünge ein griechisches Kreuz eingeschrieben. Würfelform und Kreuz symbolisieren Unendlichkeit und Auferstehung, vermitteln den Trauernden Trost. Auch die kräftige himmelblaue Farbgebung der Oberwände versinnbildlicht das Jenseits. Sie wurde - wie die übrige Ausmalung - in den 1980er Jahren in Anlehnung an die ursprüngliche Farbgestaltung Max Kutschmanns erneuert. Zum wenigen Schmuck gehören eine Engelgruppe über dem Sarkophag-Platz von Hermann Hosäus sowie das Gitter am Umgang auf halber Höhe vom Kunstschmied Julius Schramm. Auch die halbrunde Terrasse mit der breiten Freitreppe, auf der sich die Kapelle erhebt, bekam damals eine neue Gestalt. Sie wurde in eine rechteckige, bastionsartige Substruktur mit einer Kalksteinbossenmauer umgewandelt. Nach Kriegsbeschädigungen stellte 1948 Oberbaurat Bickel entsprechend dem Umbau von 1935/36 den Friedhofsbau wieder her, der zu den größten Kapellen auf den städtischen Friedhöfen Berlins zählt. Von ihrer kubischen Gestalt geht, auch kraft der Überformung, eine monumentale Würde und Symbolik aus.

Von der Kapelle führt ein leicht abfallender Zufahrtweg zum Haupteingang an der Trakehner Allee, wo der Verwaltungsbau und das Blumenhaus liegen. Ursprünglich bildeten sie zusammen mit einem Torhaus, das 1935/36 durch ein Pfeilertor ersetzt wurde, einen symmetrisch angelegten Vorfahrts- und Eingangsbereich zum Friedhof. Erich Blunck passte sie mit roter Ziegelfassade und Kalksteinsockel dem Kapellenbau an. Beim zweigeschossigen Verwaltungsgebäude zeigt sich seine Vorliebe für den Landhausstil; war Blunck doch einer der führenden Vertreter der modernen Berliner Landhausbewegung um 1900. So wirkt der Bau mit weit heruntergezogenem Satteldach, Fledermausgaube, dunkel verbrettertem Giebel, Sprossenfenster und Fensterländen wie ein ländliches Wohnhaus, wenn nicht eine Inschriftentafel über dem Eingang auf seine Bestimmung hinweisen würde. Der Bau erscheint zur Vorfahrt hin eingeschossig, nur zur Friedhofsseite tritt das Untergeschoss als Vollgeschoss in Erscheinung. Neben Verwaltungsräumen kamen hier mit zwei ausgebauten Dachgeschossen mehrere Wohnungen unter. Stark verändert ist das rechts anschließende Blumenhaus. Der kleine eingeschossige Bau verlor beim Umbau des Eingangsbereichs seinen Renaissancegiebel und der traufseitige Eingang wurde durch ein Blumenfenster ersetzt. Das neue Tor erhielt zwei wuchtige Kalksteinpfeiler und ein zweiflügeliges Einfahrtsgitter von dem Kunstschmied Heinz Waltz, das bis heute unverändert erhalten ist. (3) Auch die mit dem Friedhof entstandene Einfriedung hat sich bewahrt. Sie besteht aus niedrigem Kalksteinmauerwerk, das von einem schmiedeeisernen Gitter von Julius Schramm bekrönt wird. Die aufgespaltenen Spitzen symbolisieren eine Dornenhecke.


(1) DBZ 58 (1924), S. 505-510, 521-526; ZBV 57 (1937), S. 441-443; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 478-482, Abb. 642-648; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil X, Bd. A (3), Bestattungswesen, Berlin-München 1981, S. 35 f., 60-63, 84-86, 89 f.; Jochens, Birgit/May, Herbert: Die Friedhöfe in Berlin-Charlottenburg. Geschichte der Friedhofsanlagen und deren Grabmalkultur, Berlin 1994, S. 68-79, 115-143.

(2) Erich Blunck war von 1916 an Professor für praktische Denkmalpflege an der TU Charlottenburg und 1919-44 Provinzialkonservator für die Mark Brandenburg. Zu seinen wichtigen sakralen Bauten gehört die Evangelische Kirche in Nikolassee von 1910. 1928 zählte Erich Blunck zu den Mitbegründern der konservativen Architektengruppe "Der Block" um Paul Schultze-Naumburg.

(3) Monatshefte 23 (1939), S. 285.

Literatur:

  • Wohler, G.: Der Friedhof Berlin-Heerstraße. in: Deutsche Bauzeitung 58 (1924) 80 / Seite 521-525
  • Wohler, G.: Der Friedhof Berlin-Heerstraße, in: Deutsche Bauzeitung 58 (1924) 78 & / Seite 505-510
  • Frey, Richard: Friedhofsanlagen und Grabmalkunst, in: Bauwelt 15 (1924) 52 / Seite 1323-1330, 1324
  • Schellberg, Karl: Die Neugestaltung der Kapelle des Waldfriedhofes am Reichssportfeld, in: Zentralblatt der Bauverwaltung 57 (1937) 18 / Seite 441-443
  • Waltz, Heinz: Über das Kunstschmiedehandwerk, in: Monatshefte für Baukunst und Städtebau 23 (1939) 9 / Seite 282-288
  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 478-482, Abb. 642-648
  • BusB X A 3 1981 / Seite 35-36, 60-63, 84-85, 89-90
  • Baumeister, Architekten, Stadtplaner, 1987 / Seite 601 (Biografie E. Blunck)
  • Reclam Berlin, 1991 / Seite 298-299
  • Mörl, Volker; Meyer, Helga u.a.: Seelen der Stadt. Berliner Friedhofsspaziergänge, Berlin 1993 / Seite 104-135 (Friedhof Heerstraße)
  • Dehio, Berlin, 1994 / Seite 208-209
  • Jochens, Birgit; May, Herbert: Die Friedhöfe in Berlin-Charlottenburg. Geschichte der Friedhofsanlagen und deren Grabmalkultur, Berlin 1994 / Seite 68-79, 215-243

Teilobjekt Verwaltungsgebäude

Teil-Nr. 09040091,T,001
Sachbegriff Verwaltungsgebäude

Teilobjekt Blumenhaus

Teil-Nr. 09040091,T,002
Sachbegriff Blumenhalle
Datierung 1922

Teilobjekt Tor

Teil-Nr. 09040091,T,003
Sachbegriff Tor
Datierung 1935-1936
Entwurf Schellberg, Karl (Architekt)
Entwurf & Ausführung Waltz, Heinz (Kunstschmied)

Teilobjekt Einfriedung

Teil-Nr. 09040091,T,004
Sachbegriff Einfriedung
Entwurf & Ausführung Schramm, Julius (Kunstschmied)

Teilobjekt Friedhofskapelle

Teil-Nr. 09040091,T,005
Sachbegriff Friedhofskapelle
Umbau 1935-1936, 1948
Entwurf Schellberg, Karl (Architekt)
Ausführung Bickel (Bildhauer)
Entwurf & Ausführung Hosaeus, Hermann (Bildhauer)
Entwurf & Ausführung Wynand, Paul

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Landesdenkmalamt Berlin
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