Denkmaldatenbank

Ev. St.-Simeon-Kirche

Obj.-Dok.-Nr. 09031264
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Wassertorstraße 21A
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kirche ev.
Datierung 1894-1896
Umbau 1952-1961
Entwurf Schwechten, Franz Heinrich (Architekt)
Entwurf Berndt, Fritz & Rossa, W. (Architekt)
Bauherr Kirchengemeinde St. Simeon

Einer der letzten Reste der früheren Bebauung ist die Ev. St.-Simeon-Kirche in der Wassertorstraße 21A, die sich ehemals in den geschlossenen Blockrand des Straßenzugs einfügte. (1) Mit ihrem hoch aufragenden Turmhelm dominiert die Kirche noch heute den westlichen Abschnitt der Wassertorstraße. Die Anregung zum Bau der Kirche geht auf den Evangelischen Kirchenbauverein zurück. Der vom Kaiserhaus protegierte Verein hatte sich das Ziel gesetzt, die "Kirchennot" in den dicht bebauten Stadtvierteln durch den Bau evangelischer Gotteshäuser zu lindern. Für den Bau der St.-Simeon-Kirche engagierte man den renommierten Architekten Franz Schwechten, nach dessen Entwürfen der Kirchenbauverein nahezu zeitgleich auch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und die Apostel-Paulus-Kirche errichten ließ. (2) Die ausgeführten Bauten - mal romanisch, mal gotisch angelegt - zeigen, wie sicher Franz Schwechten die unterschiedlichsten Stilrichtungen anzuwenden wusste.

St. Simeon wurde 1894-96 als Straßenkirche mit einer charaktervollen Einturmfassade ausgeführt. Nach der Fertigstellung bot die Kirche 1.250 Sitzplätze. Mit signifikanten Detailformen wie den Bündelpfeilern und Spitzbogenbildungen, Maßwerkelementen und Wimpergen, aber auch mit der roten Klinkerverblendung im Klosterformat und den pointiert eingesetzten farbigen Glasurklinkern und Ornamentziegeln zeigt die Fassade deutliche Rückgriffe auf die Formenwelt der märkischen Backsteingotik. Wegen des beengten Bauplatzes wurden Kirche und Gemeindehaus zu einem Gebäude zusammengefügt. Grund- und Aufrisse sind symmetrisch gestaltet. Während das viergeschossige Gemeindehaus mit Wohnungen für die Kirchenbediensteten, Konfirmandensälen und einer Gemeindediakoniestation an die Straße gesetzt wurde, nimmt der über einem lateinischen Kreuz errichtete Kirchenraum die Blockinnenfläche ein. Über dem straßenseitigen Gemeindehaus ragt der hohe Glockenturm als weithin sichtbare Landmarke auf. Beide Teile vereinen sich dank des schlüssigen Einsatzes der neogotischen Stilelemente zu einem homogenen Gesamtbild, das nachhaltig den sakralen Charakter des Bauwerks unterstreicht.

Das Gotteshaus musste in eine bereits bestehende Blockrandbebauung eingefügt werden. (3) Um es dennoch in der vergleichsweise schmalen Straße zur Geltung zu bringen und zugleich eine einladende Eingangssituation zu schaffen, staffelte Schwechten die Straßenfront in der Mitte, genau in dem Bereich, der den eigentlichen Kirchenraum in seiner Breite nachzeichnet, aus der Bauflucht um etwa zwei Meter zurück. Dadurch kommt die Prospektwirkung der Fassade zu größerer Wirkung. Das gleichfalls in die Mittelachse gestellte Hauptportal wird von zwei überlebensgroßen Figuren geschmückt, die Simeon mit dem Christuskind und Hanna darstellen. Die Ausführung der weiß gefassten Terrakottafiguren übernahmen die Bildhauer Haverkamp & Werner.

Im Zweiten Weltkrieg wurde St. Simeon erheblich beschädigt. Die Innenausstattung ging nahezu vollständig verloren. Der Wiederaufbau erfolgte 1952-61 unter Leitung der Architekten Fritz Berndt und Willy Rossa. Dabei nahm man unter Rückgriff auf zeitgemäße Konstruktionsweisen erhebliche Eingriffe in die Baugestalt vor. So wurde die Chorpartie und das Querschiff durch einen neuen Annex mit großem Treppenhaus ersetzt. Das Langhaus, das außen weitgehend noch die ursprüngliche Gebäudehülle zeigt, teilte man waagerecht in zwei Geschosse, um Platz für Gemeinderäume zu gewinnen. Darüber hinaus ersetzte man den ursprünglich massiv erstellten Turmhelm durch eine eiserne, kupferbeschlagene Konstruktion. Erhalten haben sich die überwölbten Durchfahrten an den Seiten sowie die straßenseitige Vorhalle mitsamt der bauzeitlichen Ausstattung, etwa den reich durchwirkten Bodenmosaiken.


(1) Fritsch, Karl Emil Otto: Der Kirchenbau des Protestantismus von der Reformation bis zur Gegenwart. Berlin 1893, S. 336-338; BusB 1896, Bd. 2, S. 192-193; Deutsche Bauzeitung 31 (1897), S. 649; Berliner Architekturwelt 1 (1899), S. 13-14, 18-19; Lütkemann 1926, S. 174-176; Ein Jahrhundert evangelische Kirchengemeinde St. Simeon, Berlin 1968; Langmaack, Gerhard: Evangelischer Kirchenbau im 19. und 20. Jahrhundert, Kassel 1971, S. 29; Kühne/Stephani 1978, S. 71-72; BusB VI, S. 95-96, 376; Zietz, Peer: Franz Heinrich Schwechten. Kirchen zwischen Repräsentation und Zweckmäßigkeit im deutschen Kaiserreich, Diss. FU Berlin, Berlin 1987, S. 278-282; Zietz, Peer: Franz Heinrich Schwechten. Ein Architekt zwischen Historismus und Moderne, Stuttgart-London 1999, S. 62-63; Beeskow 2005, S. 394-395; Dehio Berlin 2006, S. 296-297.

(2) Frowein-Ziroff, Vera: Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Berlin 1982, S. 63-64.

(3) Den Baugrund hatte die St. Jacobi-Gemeinde, aus der die St. Simeon-Gemeinde 1868 hervorgegangen war, bereits 1865 erworben und unmittelbar darauf Friedrich Adler, den Architekten der Thomas-Kirche, mit der Planung eines Kirchengebäudes beauftragt. Der Bau wurde jedoch aufgrund finanzieller Probleme nicht ausgeführt.

Literatur:

  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 200 f.

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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