Denkmaldatenbank

Victoria-Versicherung

Obj.-Dok.-Nr. 09031191
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Lindenstraße 20, 25
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Geschäftshaus & Versicherungsgebäude
Datierung 1906-1913
Entwurf Walther, Wilhelm (Architekt)
Bauherr Allgemeine Versicherungs-AG Victoria

Mit dem Gebäude der Victoria-Versicherung in der Lindenstraße 20-25 ist eines der monumentalsten Geschäftshäuser des kaiserzeitlichen Berlin erhalten geblieben. Nach ihrer Fertigstellung galt die Zentrale der Allgemeinen Versicherungs-Actien-Gesellschaft Victoria zu Berlin als eines der größten Verwaltungsgebäude weltweit. Zeitweilig arbeiteten hier mehr als 3.200 Angestellte. Das Gebäude belegt beispielhaft den Prozess der Citybildung, der auch die Lindenstraße erfasste.

Der weitläufige Komplex nimmt ein von der Lindenstraße bis zur Alten Jakobstraße reichendes Grundstück ein und umfasste ehemals zwölf Höfe. Allein durch die enorme Gebäudeausdehnung konnte die Victoria-Versicherung ihre Besucher und Kunden beeindrucken. Gesamtkonzept und Detailplanung gehen auf den Architekten Wilhelm Walther zurück. (1) Die Ausführung in mehreren, teils deutlich voneinander getrennten Bauabschnitten nahm zwei Jahrzehnte in Anspruch. Zunächst entstand 1893-95 im Blockinnern das hufeisenförmig angelegte Stammhaus, dem bis 1913 mehrere Erweiterungen angefügt wurden. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg steht heute nur noch etwa ein Drittel der ursprünglichen Bausubstanz. Übrig geblieben ist nur das Gebäude an der Lindenstraße mit drei Seitenflügeln, errichtet von 1906 bis 1913.

Ungeachtet der erheblichen Kriegsverluste besitzen die überkommenen Gebäudeteile auch heute noch eine gleichermaßen kostspielige wie prachtvolle Ausstattung. Die Fassaden zeugen sowohl straßen- als auch hofseitig von einem hohen Anspruch an Gestaltung und Repräsentation. Um den Ambitionen des Bauherrn gerecht zu werden und zugleich der Gefahr gestalterischer Einförmigkeit entgegenzuwirken, bediente sich Wilhelm Walther unterschiedlichster Stilformen. In souveräner Manier variierte er Stile, Materialien, Formen und Farben. Während die Straßenfront in üppigen neobarocken Formen gestaltet wurde, finden sich in den Höfen unterschiedlich dekorierte Fassaden, die sich der Neoromanik, der Neorenaissance, dem Neobarock oder der beginnenden Moderne zuordnen lassen. Hofseitig wurden die Außenwände mit rotem Mainsandstein, gelbem Sandstein und Travertin verblendet.

Die etwa 130 Meter messende Straßenfront an der Lindenstraße wurde durch Risalitbildungen wirkungsvoll gegliedert und rhythmisiert. Kennzeichen der neobarocken Werksteinfassade ist ihre enorme Plastizität. Die Gliederungselemente, darunter die charakteristischen bossierten Säulen, der reichhaltige figürliche Schmuck und die Ornamente, sind sehr raumgreifend gestaltet. Obwohl das Attikageschoss mit den hoch aufschießenden Schweifgiebeln nach der Kriegszerstörung nur mehr vereinfacht wieder hergestellt werden konnte und die repräsentative Wirkung dadurch beeinträchtigt ist, wirkt das Gebäude markant in den umliegenden Stadtraum hinein. Vorderhaus und Seitenflügel bestehen aus Mischkonstruktionen. Massives Mauerwerk wurde mit Stützen und Unterzügen aus Eisen kombiniert. Die Decken sind durchgehend als Preußische Kappendecken angelegt. Im Innern belegen die dreischiffig als Säulenhalle angelegte Durchfahrt und das zentrale Treppenhaus den gestalterischen Anspruch der Versicherung. Von der reichhaltigen baufesten Ausstattung sind insbesondere die Schmiedearbeiten hervorzuheben, die das Haus noch aufzuweisen hat.


(1) Deutsche Bauzeitung 29 (1895) 75, S. 466; Baugewerks-Zeitung 35 (1903), S. 979-981, 986; Die Architektur des 20. Jahrhunderts 4 (1904) 2, S. 28-29, Tafel 49-50; Der Profanbau 5 (1909) 5, S. 65-77.

Literatur:

  • BusB IX 1971 / Seite 125f., 190
  • N.N./ Neubau der Versicherungsgesellschaft Victoria zu Berlin, Alte Jakobstrasse 130-132 in
    Baugewerks-Zeitung 35 (1903) / Seite 979-981
  • N.N./ o.T. in
    Berliner Architekturwelt 11 (1909) / Seite 449-450
  • N.N./ Vorhallen in
    Bauwelt 5 (1914) 23 / Seite 21-27
  • N.N./ o.T. in
    Die Architektur des 20. Jahrhunderts 4 (1904) 2 / Seite 28-29
  • N.N./ Die Neubauten der Victoria, Allgemeine Versicherungs-Aktien-Gesellschaft zu Berlin in
    Der Profanbau 5 (1909) 5 / Seite 65-77
  • N.N./ Architekten-Verein zu Berlin in
    Deutsche Bauzeitung 29 (1895) 75 / Seite 466
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 142 f.

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Landesdenkmalamt Berlin
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