Denkmaldatenbank

Kirche zum Heiligen Kreuz

Obj.-Dok.-Nr. 09031120
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Zossener Straße 65
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kirche ev.
Entwurf 1878
Datierung 1884-1888
Umbau 1959
Entwurf Otzen, Johannes (Architekt)
Ausführung Kleinau, J. (Baumeister)
Entwurf Ruhtz, Erich (Architekt)
Bauherr Gemeindekirchenrat von Heilig Kreuz

An der Ostseite des Blücherplatzes steht auf dem Grundstück Zossener Straße 65 die 1884-88 erbaute Ev. Kirche Zum Heiligen Kreuz, die ein wichtiges Dokument des wilhelminischen Stadt- und Kirchenbaus darstellt. (1) Der neogotische Backsteinbau besetzt als freigestellte Platzkirche eine dreieckig zugeschnittene Freifläche. Die Gemeinde wurde 1862 auf Anordnung König Wilhelms I. von der Jerusalemsgemeinde in der Friedrichstadt abgetrennt. Das Gemeindegebiet umfasste zunächst die gesamte Tempelhofer Vorstadt, wurde aber aufgrund des Bevölkerungswachstums mehrfach geteilt und verkleinert. Die Namensgebung leitet sich vom Kreuzberg ab. Nach Auffassung des Kaiserhauses hatte der monumentale Kuppelbau nicht nur die evangelische Kirche würdig zu vertreten, sondern darüber hinaus auch im Stadtgefüge ein deutliches Merkzeichen zu setzen. Namentlich Kronprinz Friedrich Wilhelm wünschte, "dass mit dieser neuen Kirche auch ein Denkmal geschaffen werden möge, das durch wirksame, eigenartige Gestalt sich auszeichnend, die architektonische Erscheinung der Stadt entsprechend bereichere." (2) Nachdem Stadtbaurat Hermann Blankenstein 1878 einen Entwurf vorgelegt hatte, der aber keinen Beifall fand, vergab der Kronprinz den Auftrag an Johannes Otzen, einen Architekten der Hannoverschen Schule, der als Professor an der Technischen Hochschule Charlottenburg lehrte. Am 27. Oktober 1888 wurde die Kirche im Beisein Kaiser Wilhelms II. eingeweiht. Die Kirche Zum Heiligen Kreuz war das erste Gotteshaus, das in Berlin in den neogotischen Formen der Hannoverschen Schule entstand. Die innovativen Raum- und Grundrissbildungen hatte wesentlichen Einfluss auf den deutschen Kirchenbau des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Als protestantische Predigtkirche sollte die Kirche Zum Heiligen Kreuz 1.500 Sitzplätze aufnehmen. Otzen legte sie als stark zentralisierten Längsbau über einem gedrungenen Kreuz an. Der Grundriss war so ausgeformt, dass möglichst jedem Kirchenbesucher ein unverstellter Blick auf Kanzel und Altar geboten werden konnte und vorteilhafte akustische Bedingungen herrschten. Ungeachtet der Überformungen und Einbauten der 1990er Jahre lässt sich die ursprüngliche Innenraumgliederung noch heute gut erkennen. Die kurzen Arme des komplett eingewölbten Kirchenraums sind dreischiffig angelegt und haben einen basilikalen Querschnitt. Dabei wies Otzen den schmalen Seitenschiffen ausschließlich Erschließungsfunktionen zu. Die polygonal ausgeformte Chorapsis umgab er mit einem Kapellenkranz. Ein neues Architekturmotiv war der Laufgang, über den die Emporen miteinander verbunden wurden. Er ist ebenso Kennzeichen der Hannoverschen Schule wie die zu den Stirnseiten eingezogenen Emporenbrüstungen. Die Vierung wird von einem Sternengewölbe überfangen, das sich im Scheitel nur bis zu zwei Fünfteln der Kuppelhöhe erhebt, womit man einen zu langen Nachhall und zu hohe Heizkosten vermeiden wollte. (3)

Das äußere Erscheinungsbild bereicherte Johannes Otzen durch eine ungeheure Materialvielfalt und zahllose bauliche Motive, insbesondere durch eine Fülle an flankierenden Turman- und aufbauten. Der Bau wird von einer mächtigen Vierungskuppel gekrönt, die auf einem achteckigen Kuppeltambour ruht und ursprünglich von einer Laterne mit spitzem Dachreiter abgeschlossen wurde. Diese optisch auffallende Kuppelbekrönung wurde auch als Pickelhaube bezeichnet. Der Kuppelaufbau ist von vier reich gegliederten Türmen umgeben, die statisch als Widerlager dienen. Das rote Ziegelmauerwerk wird durch Formsteine sowie braun, grün und gelb glasierte Ziegel effektvoll belebt. Bunte Fensterrahmungen, Ornamentfriese aus grünen Formsteinen und die mit Zick-Zack-Muster versehenen Turmhelme ergänzen das variantenreiche Farbspiel. (4) Ein auffälliger Schmuck sind die drei Maßwerkrosen an der zum Halleschen Tor ausgerichteten Hauptschauseite sowie an den Fassaden des Querschiffs, die ebenso wie die Spitzbogenfenster und der Wimperg über dem Hauptportal die gotische Anmutung des Kirchenbaus unterstreichen.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mehrfach durch Bomben getroffen, brannte die Kirche 1945 aus. Der vereinfachte Wiederaufbau nach Plänen des Architekten Erich Ruhtz wurde 1959 abgeschlossen. (5) Ein grundlegender Umbau mit völlig neuem Konzept erfolgte 1991-95 durch die Architektengruppe Wassertorplatz. Das Vorhaben war maßstabsetzend für die denkmalgerechte Umnutzung von Großkirchen, da der bauzeitliche Bestand in die Umgestaltung einbezogen wurde und zugleich die ursprüngliche Funktion erhalten blieb. Ziel war es, eine für alle Bürger offene Kirche mit multifunktionalen Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen. Unter Wahrung des ursprünglichen konstruktiven Gerüsts und eines ganzheitlichen Raumeindrucks wurde durch ergänzende Stahl-Glas-Einbauten sowie den Ausbau des Dachgeschosses ein erheblicher Zugewinn an neuen Räumlichkeiten (Café, Büros und Gruppenräume) erzielt. Der verkleinerte Kirchenraum selbst wird nicht mehr nur für Gottesdienste genutzt, sondern ist heute auch Veranstaltungsort für Konzerte, Theateraufführungen und anderweitige Kulturveranstaltungen.


(1) Der Neubau der Kirche zum heiligen Kreuz in Berlin. In: Zentralblatt der Bauverwaltung 5 (1885), S. 178-180; Die Kirche zum Heiligen Kreuz. In: Deutsche Bauzeitung 23 (1889), S. 345-346, 381 ff.; Lütkemann 1926, S. 170-172; Hundert Jahre evangelische Kirchengemeinde zum Heiligen Kreuz 1865 bis 1965, Berlin 1965; Bahns, Jörn: Johannes Otzen 1839-1911, München 1971, S. 118-120; Kühne/Stephani 1978, S. 64-65; BusB VI, S. 82-83, 94, 369; Vom Tragen des Kreuzes 1888-1988. 100 Jahre Kirche Zum Heiligen Kreuz, Berlin 1988; Uehlein 1995, hierin vor allem die Beiträge von Jürgen Quandt und Klaus Duntze; Dehio Berlin 2006, S. 293-294.

(2) Die Kirche zum Heiligen Kreuz. In: Deutsche Bauzeitung 32 (1889), S. 345.

(3) Den Hohlraum über dem Gewölbe hatte Otzen als Glockengeschoss und Uhrenstube geplant. Er dient heute als Konferenzraum.

(4) Sämtliche Steine lieferte die Firma Bienwald und Rother aus Liegnitz. Das besondere Farbspiel der Außenmauern wurde ursprünglich durch die farbigen Ziegel der Dachdeckung ergänzt. Dabei handelte es sich um braun, schwarz und grün glasierte Ludowici-Ziegel aus Ludwigshafen.

(5) Wenn man dabei auch einige kriegsbedingte Elemente nicht wieder rekonstruiert hat, war die Kirche 1959 doch soweit wieder hergestellt, dass Gottesdienste stattfinden konnten. Nicht wieder hergestellt wurden die beiden Konfirmandensäle im Anschluss an den Chor; an ihrer Stelle steht jetzt ein verglaster Treppenturm, durch den das Dachgeschoss erschlossen wird. Die Sakristeien im Chorbereich wurden vereinfacht wieder aufgebaut.

Literatur:

  • BusB II/III 1896 / Seite 173
  • Dehio, Berlin, 1994 / Seite 270
  • Deutsche Bauzeitung 22 (1888) / Seite 527
  • Deutsche Bauzeitung 23 (1889) / Seite 345f., 381ff.
  • Wiener Bauindustrie-Zeitung 6 (1888) / Seite 58f.
  • Baugewerks-Zeitung 18 (1886) / Seite 763ff., 783ff.
  • Wochenblatt für Baukunde 7 (1885) / Seite 482
  • Bau- und Kunstgewerbe-Zeitung für das Dt. Reich (1890) / Seite 178ff.
  • Zentralblatt der Bauverwaltung 5 (1885) / Seite 467ff., 522ff.
  • Zentralblatt der Bauverwaltung 8 (1888) / Seite 64f.
  • Kühne, Stephani/ Kirchen, 1978 / Seite ..
  • Johannes Otzen, Ausgeführte Bauten. Lief. 1, Berlin 1890 / Seite 118ff. (dort weitere Literatur)
  • Bahns/ Johannes Otzen, 1971 / Seite 492
  • N.N./ Julius Kleinau in
    Zentralblatt der Bauverwaltung 27 (1907) / Seite 347 f.
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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