Denkmaldatenbank
Amerika-Gedenkbibliothek
09031119 | |
Bezirk | Friedrichshain-Kreuzberg |
Ortsteil | Kreuzberg |
Adressen | Blücherplatz 1 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Bibliothek |
Datierung | 1952-1957 |
Entwurf | Bornemann, Fritz & Jobst, Gerhard & Kreuer, Willy & Wille, Hartmut (Architekt) |
Bauherr | Senat von Berlin |
Auf der sanft ansteigenden Platzmitte steht die Amerika-Gedenkbibliothek, Blücherplatz 1, ein Bau mit einer sehr eigenständigen, unverwechselbaren Formgebung. (1) Architektonische und städtebauliche Ideale der Nachkriegszeit vereinen sich hier in mustergültiger Weise. Die Gedenkbibliothek, die in zwei Bauabschnitten zwischen 1952 und 1957 ausgeführt wurde (2), markiert den Beginn des Wiederaufbaus in West-Berlin, der besonders von den USA auch mit finanziellen Hilfen unterstützt wurde. Wie andere zeitgleich errichtete Kulturbauten (zum Beispiel die Kongresshalle oder der Henry-Ford-Bau der Freien Universität) ist auch die Gedenkbibliothek durch amerikanische Stiftungsgelder finanziert worden, während der Berliner Senat lediglich das Grundstück zur Verfügung stellte. (3) Für den Bibliotheksbau wurde eigens ein Ideenwettbewerb ausgelobt, der jedoch zu keinem befriedigenden Ergebnis führte. So beauftragte man schließlich die Wettbewerbsteilnehmer Willy Kreuer, Gerhard Jobst, Hartmut Wille und Fritz Bornemann mit der Planung.
Mit seiner spezifischen Anordnung im Stadtraum, aber auch in der Baumassengliederung folgt das Gebäude dem damals sehr wirkungsmächtigen Ideal vom aufgelockerten, durchgrünten Städtebau. Die Bibliothek wurde dementsprechend als allseitig freistehende, von Grünflächen umschlossene Baugruppe konzipiert. Der Bau ist variantenreich in Höhe und Tiefe gestaffelt und wirkt deshalb ungeachtet seines großen Bauvolumens leicht und elegant. Die einzelnen Trakte sind in sich, aber auch im Verhältnis zum Ganzen ausgewogen proportioniert. Mit den Asymmetrien und Kurvaturen, den Trapezformen und den transparenten Verglasungen zeigt die Bibliothek grundlegende zeittypische Gestaltungsmittel. Mit Ausnahme der auf Kellerniveau angelegten Kinder- und Jugendbibliothek weisen alle Trakte eine charakteristische, auf den Mittelpunkt des Mehringplatzes bezogene Krümmung auf. Durch diese raffinierte formale Anspielung ist die Bibliothek gestalterisch an die Südliche Friedrichstadt mit ihrem spätbarocken Straßennetz angebunden. Im Zentrum der Anlage steht der auf Fernwirkung berechnete Magazin- und Verwaltungstrakt. Ihn umschließen an drei Seiten der Lesesaal und das einstige Auditorium, die nach außen als baugleiche Flachbauten in Erscheinung treten. (4) Der Magazin- und Verwaltungstrakt bildet getreu den Wettbewerbsvorgaben den optischen Abschluss der Friedrichstraße. (5) Dem Bau liegt eine Skelettkonstruktion aus zwei parallel zueinander gestellten Stützenreihen aus Stahlbeton zugrunde. Im Erdgeschoss ist das konstruktive Gerüst auf der Nordseite teilweise sichtbar. An den Längsseiten erhielt der schmale scheibenartige Baukörper eine markante, kleinteilige Rasterfassade, die den sechsgeschossigen Trakt höher erscheinen lässt, als er in Wirklichkeit ist. In die quadratischen Gefache des Stahlbetonrasters sind Spiegel aus kleinen, farblich changierenden Schieferplatten eingelassen. Während die Fenster auf der Nordseite in alternierendem Rhythmus angeordnet sind, hat man sie auf der Südseite zu Bändern zusammengezogen. Die fensterlosen Stirnseiten erhielten davon abweichend eine flächige Verblendung aus ockerfarbenem Dolomitstein. Auffälliges gestalterisches Kennzeichen der Flachbauten sind die wellenartigen, aus kleinen segmentbogigen Schalen bestehenden Flachdächer, die mit einem leichten Gefälle gegen das Hauptgebäude laufen und auch die Innenarchitektur maßgeblich prägen. Das Tragwerk der Flachbauten, bestehend aus runden Stahlbetonsäulen, wurde nach innen gezogen, sodass die Fassaden vollkommen transparent angelegt werden konnten. Die hier allenthalben anzutreffende transparente Gestaltungsweise ist kennzeichnend für viele öffentliche Bauten der Nachkriegsmoderne.
Nach Osten wird das Gebäude schließlich durch die im zweiten Bauabschnitt nach Plänen von Fritz Bornemann realisierte Kinder- und Jugendbibliothek abgeschlossen. Um die bis dahin realisierten Trakte in ihrer gut austarierten Gesamtwirkung nicht durch Hinzufügung weiterer Baumasse zu beeinträchtigen, legte Bornemann die Jugendbibliothek unter Erdgeschossniveau an. Der kleine Bau umschließt mit seinen Flügeln einen gärtnerisch gestalteten, intimen Innenhof. Auch hier sorgt die raumhohe Verglasung für eine Verbindung zwischen Innen und Außen. Lediglich an seiner Südseite öffnet sich der in das Erdreich hinein modellierte Trakt mit einer Fassade zu der umgebenden Grünfläche.
Die Amerika-Gedenkbibliothek galt in den 1950er Jahren nicht nur aufgrund ihrer Architektur, sondern auch wegen ihres Nutzungskonzepts als modernste Bibliothek Europas. In Abweichung zum traditionellen Schema, das eine Trennung von Büchermagazinen, Lesesälen und Ausleihe vorsah, wurde die Gedenkbibliothek als "public library" nach amerikanischem Vorbild konzipiert. Dabei ist ein großer Teil des Buchbestandes über die so genannte Freihandausleihe direkt für den Leser zugänglich. Dem neuartigen Nutzungsprofil entspricht die offene Grundrissanlage des variabel nutzbaren Lesesaals, der über keine Zwischenwände verfügt, jedoch mit zahllosen Buchregalen ausgestattet ist. In weiten Teilen verfügt die Gedenkbibliothek noch über die bauzeitliche Ausstattung. Hinzuweisen ist insbesondere auf die Bücheraufzüge und Regale, die schwarzen Stapelstühle und die trapezförmigen Lesetische. 1995 wurde die Amerika-Gedenkbibliothek mit der in der Breiten Straße ansässigen Berliner Stadtbibliothek zur Zentral- und Landesbibliothek Berlin zusammengeführt, wobei der Bibliotheksstandort am Blücherplatz erhalten blieb. 2006-07 erfolgte eine denkmalgerechte Fassadensanierung.
(1) Amerika-Gedenkbibliothek/Berliner Zentralbibliothek. Zur Eröffnung am 17. September 1954, Berlin 1954; Moser, Fritz: Die Amerika-Gedenkbibliothek Berlin. Entstehung, Gestalt und Wirken einer öffentlichen Zentralbibliothek, Wiesbaden 1964; Berckenhagen, Ekhart: Willy Kreuer. Architekturplanungen 1929-1968, Berlin 1980, S. 23, 25; Spode, Hasso: Amerika-Gedenkbibliothek. In: Geschichtslandschaft Berlin 1994, S. 488-498; von Engelberg-Do?kal, Eva: Bornemanns Bibliotheken in Berlin und Bonn. In: Inszenierte Moderne. Zur Architektur von Fritz Bornemann, hrsg. v. Susanne Schindler, Berlin 2003, S. 26-39, 141-142; Fünfzig Jahre Amerika-Gedenkbibliothek. Gestern wie heute ein lebendiger Ort der Kommunikation 1954-2004, Berlin 2006.
(2) Als Berater standen den Planern der amerikanische Architekt Francis Keally und der stellvertretende Direktor der Public Library in Detroit, Charles M. Mohrhardt, zur Verfügung. 1952-54 wurde der erste Bauabschnitt ausgeführt. In einem zweiten Bauabschnitt wurde das Hauptgebäude bis 1957 um die Kinder- und Jugendbibliothek nach Plänen von Fritz Bornemann erweitert.
(3) Für den Bau der Bibliothek wurden insgesamt 5 Millionen DM aus dem Fonds des Marshall-Plans bereitgestellt. Das Grundstück war schon seit 1932 im Besitz der Stadt. Damals war geplant, an dieser Stelle als markanten südlichen Abschluss der Friedrichstraße das neue Bezirksrathaus in Form eines Hochhauses zu errichten.
(4) Das Auditorium dient heute als Musikabteilung.
(5) Der Hochbau sollte zudem als Symbol des freiheitlichen Westens nach Norden in Richtung des sowjetischen Sektors ausstrahlen. Diese Idee wurde allerdings mit der Ausführung der Wohnbebauung am Mehringplatz 1968-72 weitgehend zunichte gemacht.
Literatur:
- Reclam Berlin, 1977 / Seite 292-293
- Spode, Hasso/ Amerika-Gedenkbibliothek =Geschichtslandschaft, Kreuzberg, 1994 / Seite 488-498
- Schoßau, Daniela: Die Amerika-Gedenkbibliothek - Die Verwirklichung einer mächtigen Idee in
BuB Journal 56 (2004) 5 / Seite 323-325 - Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 345 f.
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem
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