Denkmaldatenbank

Haus des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes

Obj.-Dok.-Nr. 09031113
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Alte Jakobstraße 148, 149

Lindenstraße 1
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Geschäftshaus
Datierung 1929-1930
Entwurf Mendelsohn, Erich (Architekt)
Entwurf Reichel, Rudolf W.
Bauherr Deutscher Metallarbeiter-Verband

An der Alten Jakobstraße 148-149, Lindenstraße 1 steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum auffälligen Gebäude des Kaiserlichen Patentamts das Haus des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes. (1) Der außen vollkommen schmucklos gestaltete Bau wirkt als gestalterisches Gegenstück zum üppig dekorierten Patentamt. Das Metallarbeiter-Haus zählt zu den herausragenden Bauwerken der Neuen Bauens in Berlin. In seiner innovativen Gestaltungs- und Konstruktionsweise ist es ein wichtiger Vertreter der modernen Großstadtarchitektur der 1920er Jahre. Darüber hinaus gehört es zu den bekannten Symbolen der deutschen Arbeiterbewegung und belegt, wie schon das Bürohaus des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (1922-23) oder das Verbandshaus der Buchdrucker (1925), dass die Gewerkschaften in der Weimarer Republik avantgardistischen Architekturströmungen sehr aufgeschlossen gegenüberstanden.

1928 hatte der Deutsche Metallarbeiter-Verband (DMV) den Umzug seiner Hauptverwaltung von Stuttgart nach Berlin beschlossen. Der Verband wünschte sich seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung entsprechend eine zentrumsnahe, würdige Repräsentanz in der Reichshauptstadt. Der ausgeschriebene engere Wettbewerb für den Neubau blieb indessen ohne klaren Sieger. (2) So beauftragte der Verbandsvorstand die Architekten Erich Mendelsohn und Rudolf W. Reichel mit der Ausarbeitung eines gemeinschaftlichen Konzepts. (3) Die Bauleitung hatte Ernst Sagebiel inne. Als Baugrund stand ein spitzwinkliges Eckgrundstück am südlichen Ende der Lindenstraße und Alten Jakobstraße zur Verfügung. (4) Dort wurde 1929-30 ein markantes Verwaltungsgebäude errichtet, das neben Büroräumen für den Gewerkschaftsvorstand und die Verwaltung auch einen Sitzungssaal, die gewerkschaftseigene Druckerei und Ladeneinheiten aufnahm.

Über V-förmigem Grundriss errichtet, markiert das Metallarbeiter-Haus die Südspitze des Baublocks. Es handelt sich um einen modernen, streng gegliederten Baukörper aus klar gefassten Kuben. Er besteht aus zwei fünfgeschossigen Riegeln, die durch einen erhöht ausgeführten Kopfbau miteinander verknüpft sind und den Blockrand besetzen. (5) Rückwärtig befindet sich die zweigeschossige Druckerei, die bogenförmig zwischen die straßenseitigen Flügel eingespannt ist und den Hofbereich in einen Schmuckhof sowie einen größeren Verkehrshof teilt. Alle Gebäudetrakte sind durch Fensterbänder waagerecht betont. Die vom Bauherrn geforderte repräsentative Erscheinung beruht wesentlich auf der axialsymmetrischen Ausrichtung und der hierarchischen Staffelung der Baumassen mit dem Kopfbau als dominierendem Element. Mit der Eingangslobby, den Vorstandsräumen und dem großen Konferenzsaal im fünften Obergeschoss ordnete man im Kopfbau die wichtigsten Räume an. Entsprechend seiner Bedeutung sowie im Hinblick auf seine besondere Präsenz im Stadtraum zeichnet er sich durch seine ausnehmend elegante Gestaltung aus. Seine Fassade schwingt konkav ein und schafft so eine einladende, vorplatzartige Situation. Bauliche Details wie die großen Saalfenster und der gläserne Erker im letzten Obergeschoss, das weit auskragende Vordach über dem Eingangsbereich oder die Travertinverkleidung unterstreichen den gestalterischen Anspruch, den der Kopfbau zu erfüllen hatte. Die Straßenfronten zeigen mit den Bronze- und Holzfenstern sowie der Werksteinverkleidung eine spürbar größere Materialvielfalt und eine differenziertere Farbgebung als die hofseitigen Fassaden. Hier dominieren - ganz im Sinne der "weißen Moderne" - glatt geschnittene Kuben und ein Wechselspiel von hellen Putzflächen zu dunklen Fensterbändern. (6) Die bündig eingefügten Stahlfenster haben eine ausdrucksstarke Linienführung aus waagerechten und senkrechten Elementen. Im Zentrum der hofseitigen Gestaltung steht der Glaszylinder der Haupttreppe, der die seitlichen Flügel scharnierartig verbindet. Die verwendete Konstruktion, ein Tragwerksskelett aus Eisenbeton, erlaubte die Verwirklichung verblüffender Details wie die um die Ecke geführten Fenster und die filigranen, horizontal durchlaufenden Fensterbänder, die den Fassaden eine schwerelose Anmutung verleihen. Auch Bauelemente wie die verwendeten Schiebe- und Drehfensterkonstruktionen aus Holz, Stahl und Bronze haben erkennbar modernes Gepräge. (7)

Erschlossen wird das Haus über einen im Kopfbau liegenden Haupteingang. Von hier aus gelangt man in eine schlichte, nahezu stützenfreie Vorhalle, deren auffälligstes Ausstattungsbestandteil die elegant geschwungene Wendeltreppe ist. Die Treppe wird halbseitig über alle Geschosse von einem Glaszylinder umschlossen. Ihr großes offenes Auge schmückt eine von Erich Mendelsohn entworfene stabförmige Lampe. (8) Über das Haupttreppenhaus erreicht man den großen Sitzungssaal im fünften Obergeschoss, dessen wandfeste Ausstattung mit dem Parkettboden und den holzvertäfelten Wänden weitgehend dem ursprünglichen Erscheinungsbild entspricht. Ein authentisches Bild vermitteln die Flure der Büroflügel und vor allem die Nebentreppenhäuser mit ihren Fensterbändern, den Geländern, den roten Kunststeintreppen sowie den farblich feinfühlig darauf abgestimmten cremefarbenen Wandfliesen.

Nach schweren Kriegsschäden wurde das Metallarbeiter-Haus bis 1952 wieder aufgebaut, danach aber noch mehrfach grundlegend und unter Berücksichtigung seines hohen Denkmalwerts saniert. (9) Heute befindet sich hier der Sitz der Bezirksleitung der Industriegewerkschaft Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen. Einige Büroeinheiten und die Ladeneinheiten zur Lindenstraße sind vermietet.


(1) Bauwelt 20 (1929), S. 765; Bauwelt 21 (1930) 41, Beilage, S. 1-9; Die Bauzeitung 40 (1930), S. 532; Deutsche Bauhütte 34 (1930), S. 358; Deutsche Bauzeitung 64 (1930), Beilage Konstruktion und Ausführung, S. 51, 56; Soziale Bauwirtschaft 10 (1930), S. 467; Bauwelt 22 (1931), S. 647; Kunstblatt 15 (1931), S. 180; Deutsche Bauzeitung 66 (1932), S. 311; BusB IX, S. 145, 197; 50 Jahre Metallarbeiterverbandshaus. Eine Dokumentation, Berlin 1980; Stephan, Regina: Erich Mendelsohn. Architekt 1887-1953. Gebaute Welten, Ostfildern-Ruit 1998, S. 144-152; Blumenthal, Wolfgang/Keller, Elke/Kuba, Karlheinz: Mit den Groschen der Mitglieder. Gewerkschaftshäuser in Berlin 1900 bis 1933, Berlin 2004, S. 65-70.

(2) Zur Einreichung von Entwürfen wurden Paul Bonatz, Erich Mendelsohn, Rudolf W. Reichel, Max Taut und Franz Hoffmann aufgefordert.

(3) Zum Planungsprozess und zur diskutierten Autorenschaft des Gebäudes vgl. Wasmuths Monatshefte für Baukunst 14 (1930), S. 467; Stephan, Regina: Erich Mendelsohn. Architekt 1887-1953. Gebaute Welten, Ostfildern-Ruit 1998, S. 146. Die Baupläne wurden ausweislich der Bauakten von beiden Architekten unterzeichnet.

(4) Der Baugrund gehörte zu einem aufgelassenen Kasernengrundstück. Zeitgleich mit der Errichtung des Metallarbeiter-Hauses sollte das Gebiet östlich des Mehringplatzes städtebaulich neu geordnet werden Mit der Maßnahme sollte die Friedrichstraße entlastet werden. Der Zuschnitt des Baugrundstücks für das Gewerkschaftshaus nahm auf die städtebauliche Neuordnung bereits Rücksicht. Vgl. hierzu Stephan, Regina: Erich Mendelsohn. Architekt 1887-1953. Gebaute Welten, Ostfildern-Ruit 1998, S. 146-147.

(5) Die Trakte an Lindenstraße und Alter Jakobstraße wurden in Blockrandbauweise hochgeführt. Die Situation wirkt heute durch die vorgartenartige Anlage an der Lindenstraße jedoch verunklärt. In den 1960er Jahren wurde die Straße von der Fassade des Metallarbeiter-Hauses abgeschwenkt; sie zeigt heute folglich nicht mehr den Ende der 1920er Jahre geplanten Verlauf parallel zur Fassade des Gewerkschaftsgebäudes.

(6) Dass eine zeitgemäße, baukünstlerisch anspruchsvolle Gestaltung der vermeintlich unwichtigen Rückfronten den Architekten wichtig war und vom Fachpublikum auch wahrgenommen wurde, belegen die zahlreichen zeitgenössischen Rezensionen der Fachzeitschriften, in denen die Rückfronten mindestens genauso häufig abgebildet wurden wie die Straßenfassaden.

(7) Dabei handelt es sich zum großen Teil um originalgetreue Rekonstruktionen, die in den 1980er und 1990er Jahren im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen eingebaut wurden.

(8) Die Lampe ist eine originalgetreue Reproduktion des ursprünglichen Beleuchtungskörpers.

(9) Wiederherstellung nach Kriegszerstörungen bis 1952 durch H. J. Klotz; 1971 Einbau eines Aufzugs am Haupteingang; 1980 Fassadensanierung und Fenstererneuerung unter Beteiligung des Landeskonservators, Sanierung des gesamten Gebäudes 1994-97 durch das Dortmunder Architekturbüro LTK; erneute Außensanierung 2005-06. Vgl. Gutzke, Jörg-Peter: IG-Metall-Haus, Alte Jakobstraße/Ecke Lindenstraße (Kreuzberg). In: Reparieren, Renovieren, Restaurieren. Vorbildliche Denkmalpflege in Berlin, Berlin 1998, S. 32-33.

Literatur:

  • BusB IX 1971 / Seite 145, 197
  • Gutzke, Peter-Jörg/ IG-Metall-Haus, Alte Jakobstraße / Ecke Lindenstraße in
    In/ Reparieren, Renovieren, Restaurieren. Vorbildliche Denkmalpflege in Berlin, Berlin 1998 / Seite 32f.
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 195 f.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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