Denkmaldatenbank

St. Gertraudt-Stiftung, Urbankrankenhaus

Obj.-Dok.-Nr. 09031107
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Wartenburgstraße 1, 1A, 1B, 1C, 1D, 1E, 1F
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Stift
Datierung 1871-1873, 1883-1884
Umbau 1910-1911
Entwurf Koch, Friedrich (Baumeister)
Entwurf Haack, Fritz
Bauherr St. Gertraudt-Stiftung

Inmitten der gründerzeitlichen Mietshausbebauung steht die umfangreiche Anlage der St.-Gertraudt-Stiftung an der Wartenburgstraße 1-1F. (1) Mit dem parkähnlichen Garten und der zurückgesetzten Bebauung aus orangegelben Klinkern setzt die Anlage im Stadtbild einen bemerkenswerten Akzent. Die seit 1411 bestehende St.-Gertraudt-Stiftung hatte seit ihrer Gründung ein Stift beziehungsweise ein Hospital am Spittelmarkt betrieben, das 1872 in die Tempelhofer Vorstadt verlegt wurde. (2) Das neue Wohnheim, das einhundert Witwen und Töchter von Berliner Bürgern aufnahm, wurde in drei Bauabschnitten nach Plänen des Königlichen Baurats Friedrich Koch errichtet. Dabei steht der älteste, 1871-73 ausgeführte Bauteil am Beginn der planmäßigen Entwicklung der Quartiere zwischen Landwehrkanal, Großbeerenstraße, "Generalszug" und Möckernstraße. Friedrich Koch fand für die vergleichsweise einfache Funktion eine erhabene Formgebung. Er ließ sich von der französischen Baukunst inspirieren, denn der älteste Teil des Wohnstifts orientiert sich in der Anlage an Pariser Stadtpalais. Mit seinen drei Flügeln umschließt die Anlage einen Ehrenhof, dessen Zentrum ein kreisrunder Brunnen einnimmt. Die Fassaden sind in der Formensprache der italienischen Renaissance gehalten. Aufwendige Schmuck- und Gliederungselemente aus Terrakotta, Putz und Sandstein unterstreichen den vornehmen Gesamteindruck. Den oberen, farblich gut harmonierenden Abschluss bilden schiefergedeckte Walmdächer in englischer Deckung. Neben dem prachtvoll inszenierten Mittelrisalit fallen die halbkreisförmigen Abschlüsse der Seitenflügel als prominente Architekturglieder auf. Der Bildhauer Eduard Lürssen schuf die Reliefs über den Rundbogenfenstern der früheren Kapelle, die Barmherzigkeit, Caritas und Frömmigkeit darstellen. Innen stand jeder sogenannten Hospitalitin ein großes Zimmer mit Kochgelegenheit zur Verfügung. Die Zimmer waren zellenartig in Reihe angelegt und generell zwecks besserer Lichtausbeute nicht nach Norden ausgerichtet, während die großen überwölbten Flure als Aufenthaltsräume dienten. Der wichtigste Gemeinschaftsraum war die zweigeschossig angelegte, reich ausgeschmückte Kapelle, die nicht erhalten blieb. Einen Eindruck von der früheren Innenraumgestaltung vermittelt die große dreiläufige Haupttreppe, die in ihrer Pracht im Kontrast zu den einfacher ausgestatteten Zimmern steht.

Friedrich Koch erweiterte das Wohnstift 1883-84 in baugleichen Formen um zwei weitere Flügel in der Großbeerenstraße. Alt- und Neubaubestand wurden dabei straßenseitig zu einer einheitlichen palastartigen Fassade verschliffen. Die lang fluchtende Schaufront gliederte Koch durch Risalitbildungen. Eine zweite Erweiterung nahm man 1910-11 vor. Der Königliche Baurat Fritz Haack ergänzte das Hospital damals um einen schmalen, sich baulich gut einfügenden Trakt auf dem Hinterland des Grundstücks. Von 1946 bis 2000 diente die Anlage als Krankenhaus und Pflegeheim. Nach jahrelangem Leerstand wurde das Wohnstift 2004-05 nach Plänen von Stephan Höhne unter größtmöglicher Beibehaltung der gestalterischen und konstruktiven Elemente zu einer modernen Wohnanlage umgebaut. Die umfangreiche Maßnahme ist nach außen allenfalls an den neuen Balkonen abzulesen.


(1) BusB 1877, S. 215, 217; BusB 1896, Bd. 2, S. 474-476; Griese, Karl: Kurze Geschichte des St.-Gertraudt-Hospitals und der dazugehörigen Kirche. Zum 500jährigen Jubiläum am Trinitatisfest 1911, Berlin 1911; Dehio Berlin 2006, S. 300.

(2) Das Hospital am Spittelmarkt und die dazugehörige Gertraudenkirche (abgerissen 1881) mussten der Neuordnung des Spittelmarktes und der Durchlegung der Beuthstraße weichen.

Literatur:

  • BusB I/II 1877 / Seite 215, 217
  • BusB II/III 1896 / Seite 442-446
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 371 f.

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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