Denkmaldatenbank

Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische und Elektro-Chemie

Obj.-Dok.-Nr. 09030402
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Faradayweg 6
Denkmalart Ensembleteil
Sachbegriff Institutsgebäude
Datierung 1912, 1920/1930, 1939
Entwurf Ihne, Ernst von & Guth, Max

Zwischen Faradayweg und Van´t-Hoff-Straße erstrecken sich die zentralen Einrichtungen des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft. Historischer Kern der Gebäudegruppe ist das 1912 feierlich eröffnete Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie am Faradayweg 6, das seit 1953 Hauptgebäude des Fritz-Haber-Instituts ist. (1) An der Finanzierung des Instituts beteiligte sich neben der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft auch die Leopold-Koppel-Stiftung. (2) Mit der Institutsgründung 1911 entwickelte sich die Physikalische Chemie zu einem eigenständigen Forschungsgebiet, das bis zu diesem Zeitpunkt an keiner Hochschule vertreten war. Noch heute ist das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft mit diesem Wissenschaftsgebiet befasst.

An diesem Ort forschte der Chemiker Fritz Haber als erster Direktor des Instituts bis zu seinem Rückzug 1933. Vor allem in den 1920er Jahren konnten an diesem Institut wegweisende wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Gebiet der physikalischen Chemie erarbeitet werden. (3) Haber, der einer jüdischen Familie entstammte, musste Deutschland verlassen, nachdem die Nationalsozialisten an den Kaiser-Wilhelm-Instituten den Arierparagraphen durchgesetzt hatten und alle Mitarbeiter mit jüdischer Abstammung ihren Arbeitsplatz verloren. Der Wissenschaftler Fritz Haber steht sowohl für großartige Erfolge als auch für die schreckliche Seite der Anwendung seiner Forschungsergebnisse. (4) Bereits 1918 hatte Haber den Nobelpreis Chemie für die Synthese von Ammoniak erhalten. Er fand eine Möglichkeit zur Stickstoffbindung durch Synthese von Wasserstoff und Luftstickstoff zu Ammoniak. Dieses Verfahren ermöglichte die Herstellung von synthetisierten Düngemitteln, aber auch von Sprengstoff. (5) Der Einsatz des neuen Düngemittels führte weltweit zu weitaus höheren landwirtschaftlichen Erträgen. Zugleich gilt Haber aber auch als Pionier der chemischen Kriegsführung. Als Leiter des Referats "Gaskampfwesen" führten seine Versuche mit Phosgen und Chlorgas zu neuartigen Giftgaskampfstoffen, die Deutschland im Ersten Weltkrieg einsetzte.

Heute besteht der Institutskomplex aus zwei in die Tiefe des Grundstücks gestaffelten Gebäudegruppen, die einen Innenhof umstehen. Wie ein Campus im Kleinen sind hier Hörsaal, Bibliothek, Verwaltung, Gästewohnungen und Labors zentriert. Die westliche Gruppe auf dem Grundstück Faradayweg 6 setzt sich zusammen aus dem 1911-12 nach Plänen von Ernst von Ihne erbauten dreigeschossigen Hauptgebäude mit dem angegliederten so genannten "Fabrikbau", der 1928 einen Röntgen-Erweiterungsbau von Carl Sattler zum Hof bekam, und - als Abschluss zur Van´t-Hoff-Straße - aus dem Röntgenbau von 1939, für den vermutlich ebenfalls Sattler verantwortlich war. (6) Von ihm stammt auch die Gestaltung des neuen hofseitigen Haupteingangs mit Dreiecksgiebel und bronzener Institutsinschrift im Tympanon, der seit 1928 nach der Mitte des schmalen Verbindungsgangs zwischen Fabrik- und Hauptgebäude verlegt ist.

Die auf der Ostseite des Hofes liegende Gruppe umfasst die Erweiterungsbauten für das 1952 gegründete Fritz-Haber-Institut für Physikalische Chemie und Elektronenmikroskopie, Faradayweg 4. Sie besteht von Norden nach Süden aus einem Hörsaaltrakt von 1962 mit einer niedrigen 1971 erbauten Schlosserwerkstatt, einem Bibliotheks- und Verwaltungsbau sowie, quer dazu vor der Van´t-Hoff-Straße, einem kompakten Institutsbau für Elektronenmikroskopie, beide 1959 errichtet. Letzterer fügte sich mit seinen sieben Geschossen wenig einfühlsam in den südlich angrenzenden neuen Campus der Freien Universität ein, obwohl die Campus-Bauten wie alle Neubauten des Fritz-Haber-Instituts von den Architekten Hans Geber & Otto Risse erbaut wurden. Der von Klaus Günther 2003-07 geleitete Umbau dieses Instituts mildert mit neuen, ruhiger gegliederten Fassaden etwas den monolithischen Eindruck.

Bedeutendster Institutsbau ist das von Ihne entworfene Hauptgebäude von 1912, für das Max Guth die technische Bauleitung innehatte. Allerdings hat dieser Bau durch Kriegsschäden, Umbauten und einer 1972 erfolgten Aufstockung vieles von seinem imposanten Äußeren verloren - zumal der portalgefasste Eingang am Faradayweg nicht mehr benutzt wird und Rasen an die Stelle des herrschaftlichen Vorfahrtsrondells getreten ist. Zur gleichen Zeit wie das Institut der KWG für Chemie entwarf Ihne die Fassaden im Vergleich dazu weitaus strenger in den Formen und der Symmetrie der französischen Klassik. Mit den steilen Walmhauben der Ecktürme, dem Kranzgesims und dem geputzten Bossenwerk wurde eher der Eindruck eines feudalen Palais vermittelt als der eines funktionalen Institutsbaus.

Doch richtete sich auch hier der innere Auf- und Ausbau nach den Bedürfnissen der noch jungen Forschungsdisziplin, wobei Fritz Haber schon vor Baubeginn die Planung nach seinen Vorstellungen dirigierte. So stellt der Grundriss ein frühes Beispiel für eine gezonte Aufteilung der Institutsräume dar. Die Laboratorien der Mitarbeiter wurden möglichst nahe beim Direktorenzimmer angeordnet; für den wissenschaftlichen Austausch, für Vorlesungen und Kolloquien waren größere Räume vorgesehen. Zur Verringerung der Sonneneinstrahlung legte man die Räume für experimentelle Arbeiten konsequent nach Nord-West und Nord-Ost. Mit der Einrichtung eines vom Hauptgebäude abgetrennten Fabrikgebäudes, das als Maschinenhalle größere Apparaturen für Versuche auf dem Gebiet der Hochdruckchemie aufnahm, wurde gewährleistet, dass die von den Kompressoren der Halle ausgehenden Erschütterungen nicht die im Hauptgebäude eingerichteten Messräume stören konnten. "So prägte Haber von Anfang an sein Institut. Konzentration der Arbeitsräume, Möglichkeit zum Austausch von Ideen und Gedanken, Weiterführung der Laboratoriumsergebnisse in halbtechnischen Anlagen in einer Versuchshalle, das war (sein) Konzept, das heute noch dem Aufbau von Forschungslaboratorien entspricht." (7) An den Gründer des Instituts erinnert im Hof vor dem von Carl Sattler gestalteten neuen Eingang eine anlässlich seines 60. Geburtstages von Habers Freunden und Mitabeitern am 9. Dezember 1928 gepflanzte Linde. Die "Haber-Linde" ist von einem Natursteinrondell mit bronzenen Lettern eingefasst.

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(1) Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie, Kaiser-Wilhelm-Institut für Pysikalische Chemie und Elektrochemie. Zur Einweihung der Institute durch Seine Majestät den Kaiser und König am 23.10.1913, Berlin 1913; Ernst von Ihne, Max Guth, Die Neubauten der beiden ersten Kaiser-Wilhelm-Institute in Berlin-Dahlem. In: Zentralblatt der Bauverwaltung 33 (1913), S. 385-389; Henning/Kazemi 1993, S.69-85; Henning/Kazemi 2002, S. 122-152; Braun 1987, S. 57-60, 71, 74.; Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute, Studien zu ihrer Geschichte, Das Harnack-Prinzip, hrsg. v. Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko, Berlin-New York 1996, S. 263-274; Sander 1998, S. 119-123; Gill/Klenke 1993, S. 106-111.; Uebele 1998, S. 100-102, 106-109; BusB V B, S. 201-203, 308 f.; Scherer 2007, Bd. 1, S. 308; Bd. 2, Obj. 189, S. 268-271.

(2) Der deutsch-jüdischer Bankier Leopold Koppel (1854-1933) war wesentlich beteiligt am Aufbau der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften ab 1911. Er stiftete 1.000.000 M zur Gründung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie und Elektrochemie sowie einen jährlichen Zuschuss für dessen Arbeit in Höhe von 35.000 M.

(3) U.a. die Bedeutung der Prädissoziationsspektren durch Bonhoeffer und Farkas (1928), der Nachweis negativer Dispersion in einem Neon-Gasentladungsrohr als Zeugnis für die stimulierte Lichtemission - eine Vorbedingung für die viel später entwickelte Laser-Emission - durch Kopfermann und Ladenburg (1928), die Reinherstellung von Para-Wasserstoff bei tiefer Temperatur durch Bonhoeffer und Harteck (1929), die quantenmechanische Beschreibung der Energieübertragung zwischen atomaren Systemen durch Kallmann und London (1929), die Deutung der Hyperfeinstruktur von Atomspektren durch Kopfermann (1931) und die Aufzeichnung des Grundprinzips eines Schwerionen-Linearbeschleunigers durch Kallmann (1933). Aus: Henning/Kazemi 1993, S. 78.

(4) Biographie: www.seilnacht.com/chemiker/chehab.html (zuletzt geprüft am 6.1.2011).

(5) Fritz Haber (1868-1934) entwickelte 1909 zusammen mit Carl Bosch bei der BASF das Haber-Bosch-Verfahren, das 1910 zum Patent angemeldet wurde. Dieses Verfahren ermöglichte die synthetische Herstellung von Ammoniak als Ersatz für Salpeter zur Herstellung von Düngemitteln, aber auch für Sprengstoff. Zu Fritz Haber vgl. Szöllösi-Janze, Margit: Fritz Haber, 1868-1934, Eine Biographie, München 1998.

(6) Bauausführung für den Erweiterungsbau der Röntgenabteilung von 1937/38 Otto Laternser. Die Baupläne wurden von Georg Schrank, Architekt und Mitarbeiter der KWG, vormals Mitarbeiter im Büro von Carl Sattler, eingereicht.

(7) Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute, Studien zu ihrer Geschichte, Das Harnack-Prinzip, hrsg. v. Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko, Berlin-New York 1996, S. 270.

Literatur:

  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 161

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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