Denkmaldatenbank

Alte Nazarethkirche

Obj.-Dok.-Nr. 09030388
Bezirk Mitte
Ortsteil Wedding
Adressen Leopoldplatz
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kirche ev.
Datierung 1832-1834
Umbau um 1980
Entwurf Schinkel, Karl Friedrich (Architekt)

Die Müllerstraße ist mit ihren Geschäften und öffentlichen Einrichtungen die Hauptstraße des Wedding. Einen städtischen Mittelpunkt bildet der Leopoldplatz, der sich mit einer langgestreckten Platzfläche an die Müllerstraße anschließt. Der Leopoldplatz wurde nach dem Bebauungsplan von 1862 angelegt, um die evangelische Pfarrkirche des Wedding aufzuwerten, die Karl Friedrich Schinkel 1832-35 an der Straßenkreuzung von Müller- und Schulstraße erbaut hatte. Die Alte Nazarethkirche gehört zu den vier Pfarrkirchen, die König Friedrich Wilhelm III. stiftete, um die geistliche Versorgung in den nördlichen Vorstädten Berlins zu verbessern. (1) Schinkel entwarf einfache, turmlose Saalkirchen, die mit ihrer schlichten, aber würdevollen Form für den evangelischen Kirchenbau des 19. Jahrhunderts wegweisend waren. Die Nazarethkirche ist ein Ziegelrohbau im Rundbogenstil. Mit der blockhaften Grundform, dem Dreiecksgiebel an der Eingangsseite, dem flach geneigten Satteldach und den Rundbogenfenstern verweist das Bauwerk auf die spätantike römische Architektur. (2) Die Wandflächen und die fein profilierte Gewände und Gesimse wurden sorgfältig aus hellrotem Backstein aufgemauert. An der Stirnseite führt eine Freitreppe zu drei aneinandergesetzten Portalen mit Rundbogenabschluss, darüber sieht man in der glatten Wandfläche eine kreisrunde Fensterrose. An den doppelten Fensterreihen der Längsseiten kann man erkennen, dass der Kirchenraum früher Emporen besaß. Schinkel sorgte für eine subtile Differenzierung der Wandabschnitte. Die Fensterzone ist zwischen zwei kompakten, geschlossenen Mauerstreifen eingespannt. Hinter diesen Ecken verbergen sich Treppenhäuser und Nebenräume. Mit den kleinen übereinanderstehenden Fenstern wurde das Eckmotiv zugleich auf die Stirnseite übertragen. Der einschiffige Kirchenraum ist nicht in seiner ursprünglichen Form erhalten. Nach der Fertigstellung der Neuen Nazarethkirche diente das Bauwerk als Gemeindehaus. Der Einbau einer Zwischendecke 1905-06 brachte gravierende Veränderungen. (3) Über den unteren Räumen, die seit 1972 von einem Kindergarten genutzt werden, liegt der Gemeindesaal, der mit der ursprünglichen Kassettendecke abschließt. Im Bereich der Apsis wurde 1977-80 die von Schinkel entworfenen Wandfassung freigelegt und wiederhergestellt. Profilierte Gesimse und grün abgesetzte Linien bilden gerahmte Wandfelder. Auch die Kassettendecke ist bemalt, wobei in jedem Feld auf blauem Grund ein goldener Stern zu sehen ist. Die Kirchengemeinde verzichtete 1989 auf die Neue Nazarethkirche. Seitdem wird der Gemeindesaal wieder für Gottesdienste genutzt.


(1) Blume, Karl Ludwig: Geschichte der Nazareth-Gemeinde auf dem Wedding zu Berlin. Eine Festgabe zur 25jährigen Feier des Einweihungstages der Nazareth-Kirche am 5. Juli 1860. Berlin 1860; BusB 1877, Bd. 1, S. 129; Distelkamp, Ludwig: Geschichte der Nazareth-Gemeinde auf dem Wedding zu Berlin von 1835 bis 1885. Berlin 1885; BusB 1896, Bd. 2, S. 157; Gottwald 1924, S. 193; Neubauer, Hermann: Geschichte der Nazarethgemeinde 1835-1925. Berlin 1926; Lütkemann 1926, S. 63-65; Franke, Margarete: Die alte Nazarethkirche - 25 Jahre Gemeindehaus. in: Brandenburgia 41 (1932), S. 57-58; Schwochow, Hugo: 100 Jahre Nazareth 1835 - 1935. Festschrift zur Jahrhundertfeier. Berlin 1935; Rave, Paul Ortwin: Karl Friedrich Schinkel. Berlin. Erster Teil. Bauten für die Kunst, Kirchen / Denkmalpflege. Berlin 1941, S. 301-342; Bliedner, Fritz: Geschichte der ev. Nazareth-Gemeinde 1835 - 1960 anläßlich des 125jährigen Jubiläums. Berlin 1960; Kühne/Stephani 1978, S. 282-284; Schwarz 1981, Bd. 2, S. 167; Segers-Glocke 1981, S. 1-12, 21-24; Klinkott, Manfred: Die Backsteinbaukunst der Berliner Schule von K. F. Schinkel bis zum Ausgang des Jahrhunderts. Berlin 1988, S. 48-51; 150 Jahre Nazareth-Gemeinde. Hrsg. von der Ev. Nazareth-Kirchengemeinde. Berlin 1985; Hollm, Uwe: Nazarethkirchen auf dem Leopoldplatz. in: Neue Nutzungen von alten Kirchen. Zweites Berliner Gespräch 14. und 15. November 1988. Hrsg. von der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Berlin West), dem Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz und der Technischen Universität Berlin, Institut für Kunstwissenschaft. Berlin 1990, S. 79-81; Franz-Duhme/Röper-Vogt 1991; Müller 1993, S. 287-295; BusB VI, S. 49-53, 360; Dehio Berlin 2000, S. 473; Goetz/Hoffmann-Tauschwitz 2003, S. 116-117.

(2) Ein Vorbild war offenbar die konstantinische Palastaula in Trier.

(3) Die Ausstattung wurde 1906 verkauft. Die Glasfenster und der Taufstein kamen in die Dorfkirche zu Dubraucke. Um mehr Licht zu erhalten, wurden beim Einbau der Zwischendecke an den Längsseiten, untere Fensterreihe, jeweils drei zusätzliche Fenster eingebrochen. Um die Apsis legt sich ein Apsisumgang. Die Umbauten leitete Architekt Adolf Bückner. Der Kindergarten in der unteren Ebene wurde zuletzt 1972-74 von Christine und Horst Redlich umgebaut. Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Kirche, verglichen mit St. Elisabeth oder St. Paul, nur wenige Schäden. Das Dachwerk brannte 1944 ab. Der Wiederaufbau dauerte von 1952 bis 1954.

Literatur:

  • Rave, Schinkel Lebenswerk, 1941-1962 / Seite Bd. 1; 301-342
  • Segers-Glocke, Karl-Friedrich Schinkel - Vorstadtkirchen, 1981 &
    Franz-Duhme/Röper-Vogt/ Schinkels Vorstadtkirchen, 1991Klinkott/ Backsteinbaukunst, 1988 / Seite 48ff.
  • Badstübner, Kirchen, 1987 / Seite 63ff.
  • BusB VI 1997 / Seite 49-53, 360
  • Topographie Mitte/Wedding, 2004 / Seite 175

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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