Denkmaldatenbank

Campus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und der Freien Universität Berlin

Obj.-Dok.-Nr. 09030373
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Ihnestraße 16, 18, 20, 22, 24

Boltzmannstraße 1, 3, 4, 12, 14, 16, 18, 20

Brümmerstraße 74

Faradayweg 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16

Garystraße 3, 4, 5, 6, 7

Harnackstraße 5

Hittorfstraße 18

Thielallee 63, 65, 67, 69, 73

Van't-Hoff-Straße 6, 8, 15, 17, 19
Denkmalart Ensemble
Sachbegriff Forschungseinrichtung

Die Bauten der Freien Universität (FU) aus den 1950er Jahren bilden zusammen mit den von der Universität übernommenen ehemaligen Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) und den nach 1945 entstandenen Bauten für das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft eine weitläufige campusartige Anlage zwischen dem Faradayweg im Norden, der Thielallee im Osten, der Garystraße im Süden und dem Einschnitt der U-Bahnstrecke im Westen. Dazu gehören auch im Norden, getrennt durch den Thielpark, die frühere Villa des Leiters der biochemischen Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für experimentelle Therapie, jetzt Institut für Rechtsmedizin der Freien Universität, sowie im Süden die Bauten des ehemaligen physikalischen Instituts der KWG zwischen Boltzmann- und Harnackstraße. Auf diesem Campus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und der Freien Universität Berlin, Jahnestraße 16/26 u.a. liegen die bau- und wissenschaftsgeschichtlichen Ursprünge der Max-Planck-Gesellschaft, der Nachfolgegesellschaft der KWG, wie auch die der 1948 im Westteil Berlins neu gegründeten Freien Universität. Dieser Zusammenhang ist nicht zufällig, denn die neue Universität konnte in der Notzeit nach dem Zweiten Weltkrieg die leer stehenden Gebäude der Institute der KWG, die größtenteils bereits während des Krieges aus Berlin verlagert worden waren, gut nutzen. Nördlich von der Van't-Hoff-Straße ist mit dem Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, noch eine Einrichtung in der Nachfolge der KWG vorhanden. Südlich bildet eine grüne Aue mit den ersten Hochschulgebäuden der Freien Universität aus den 1950er Jahren ein räumliches Zentrum des gesamten Areals für Lehre und Forschung. Dazu gehören die lang gestreckten, niedrigen Gebäudetrakte der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät und der Juristischen Fakultät, die über die Boltzmannstraße hinweg auf den Henry-Ford-Bau mit der angeschlossenen zentralen Bibliothek bezogen sind. Der Henry-Ford-Bau ist städtebaulich wie architektonisch der Zentralbau des Hochschulareals, er dominiert den Kernbereich der Freien Universität. Der Campuscharakter des Hochschul- und Institutsgeländes, die Einbettung der Gebäude in eine Parklandschaft, korrespondiert durchaus mit den Plänen von Hermann Jansen und Heinrich Schweizer für das Dahlemer Domänengebiet von 1911. Die an angelsächsische Campus-Universitäten anknüpfende Gestaltung des Kernbereichs der Freien Universität Berlin war zur damaligen Zeit in Deutschland eine städtebauliche Neuheit.

Integraler Bestandteil der Freien Universität sind nach 1948 die meisten der früheren Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft geworden. Sie liegen über das Gelände verteilt - vor allem in der Nähe von Thielallee und Ihnestraße sowie südlich der Garystraße, zwischen Harnack- und Boltzmannstraße. In diesen Einrichtungen wirkten eine Vielzahl von Nobelpreisträgern, deren wegweisende Forschungsergebnisse den Ruf Dahlems als Standort für die Wissenschaft, als das "deutsche Oxford", begründet haben. Mit den Forschungsinstituten der KWG, die das Zentrum der Grundlagenforschung im Vorkriegsdeutschland bildeten, entwickelte sich ein eigenständiger Institutstyp mit Haupt- und Nebengebäuden und einer Direktorenvilla in der Nähe. Leitendes Prinzip war es, einem hervorragenden Wissenschaftler, der sich ausschließlich der Forschung widmen konnte, in völliger Freiheit seine Arbeit zu ermöglichen. Diese "persönlichkeitszentrierten Forschungsorganisationen" (1) mit auf einen einzelnen Wissenschaftler zugeschnittenen institutionellen und dadurch auch baulichen Lösungen sind inselartig auf dem Campusgelände erhalten.

Die Entwürfe für die hochspezialisierten Institutsgebäude mit einer für die damalige Zeit bemerkenswerten technischen Ausstattung stammen von drei Architekten: bis zum Ersten Weltkrieg vom Hofarchitekten des Kaisers Ernst von Ihne (2), der mit Max Guth (3) von der Preußischen Bau- und Finanzdirektion zusammenarbeitete, und danach bis Ende der 1930er Jahre von dem Münchner Architekten Carl Sattler. (4) Ihnes zurückhaltender Eklektizismus mit unterschiedlichen Palaisadaptionen - er hatte die vom Kaiser gewünschte "vornehme Ausstattung" (5) zu verwirklichen - und Sattlers von süddeutschen Bauschulen geprägter Traditionsstil kennzeichnen das Bild der Institutslandschaft. Einen Gegenpol dazu bilden die Nachkriegsbauten der neu gegründeten Universität, deren funktionell gegliederte und transparente Architektur an das Neue Bauen der 1920er Jahre anknüpft und so einen demokratischen Neubeginn nach der Zeit des Nationalsozialismus symbolisiert. Darüber hinaus distanziert sie sich von der zeitgleichen stalinistischen Architektur der "Nationalen Tradition" in Ost-Berlin. Beide heute räumlich miteinander verwobenen Campusstrukturen bilden ein Ensemble sowohl von wissenschaftsgeschichtlicher als auch von architekturgeschichtlicher Bedeutung.

Die ersten drei in Dahlem errichteten Forschungsinstitute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft liegen dicht beieinander zwischen Faradayweg, Van´t-Hoff-Straße und Thielallee. Ein wesentlicher Grund für die Standortwahl war sicherlich, dass bereits 1904 die Thielallee von der Aufteilungskommission des Domänengeländes zu einer breiten Promenade mit Reitweg in der Mitte ausgebaut worden war. Der repräsentative Straßenzug verband den Siedlungskern von Dahlem, Dorf und Gut, mit Schönow. Zwischen Landoltweg und Kaiserswerther Straße/Faradayweg durchquert die Thielallee einen breiten Grünzug mit dem Thiel- und Triestpark. Dort befinden sich südlich der Grünanlage die beiden ersten 1911 gegründeten Institute für Chemie sowie für Physikalische Chemie und Elektrochemie.

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(1) Laitko, Hubert: Persönlichkeitszentrierte Forschungsorganisation als Leitgedanke der KWG, Reichweite und Grenzen, Ideal und Wirklichkeit. In: Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute, Studien zu ihrer Geschichte, Das Harnack-Prinzip, hrsg. v. Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko, Berlin-New York 1996, S. 583-632.

(2) Ernst von Ihne (1848-1917) war vor allem für die künstlerische Gestaltung verantwortlich, während dem königlich preußischen Baurat Max Guth die Baudurchführung und der technische Innenausbau zusammen mit den Institutsleitern oblag. Ihne gehörte der Aufteilungskommission für Dahlem an. Er machte sich anfangs mit Landhäusern und Villen einen Namen, darunter die Häuser Fürstenberg und Mendelssohn in Grunewald. 1888 zum Hofarchitekten ernannt, prägte Ihne mit seinen Monumentalbauten das wilhelminische Berlin, u.a. 1896-1904 das Kaiser Friedrich-Museum (heute Bodemuseum) und 1903-14 die Königliche Bibliothek, heute Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz.

(3) Max Guth (1859-1925) war tätig bei der Ministerial-, Militär- und Baukommission in der Preußischen Bau- und Finanzdirektion, vgl. Grünert, Eberhard: Die Preußische Bau- und Finanzdirektion in Berlin, 1822-1944, Köln 1983; ders. Die Preußische Bau- und Finanzdirektion, Ergänzungsbd., Ludwigsfelde 2000.

(4) Carl Sattler (1877-1966) war Direktor der Münchener Kunstgewerbeschule und nach dem Zweiten Weltkrieg Präsident der Akademie der Bildenden Künste München. Siehe Scherer 2007.

(5) Villen, Rost- und Silberlauben 1993, S. 21.

Literatur:

  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 158

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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