Denkmaldatenbank

Dienstgebäude des Oberkommandos der Wehrmacht

Obj.-Dok.-Nr. 09030372
Bezirk Steglitz-Zehlendorf
Ortsteil Dahlem
Adressen Föhrenweg 21
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnhaus
Datierung 1936-1938?
Bauherr
Entwurf Bauabteilung des OKW

Auf dem Grundstück an der Ecke Föhrenweg und Am Schülerheim, das bis zur Clayallee reicht und heute zum Gelände der Rudolf-Steiner-Schule gehört, fällt das Backsteingebäude Föhrenweg 21, innerhalb der umgebenden Villenbebauung kaum auf. Erst bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass sich das an der Straße zweigeschossige Haus mit einfachem Satteldach auf dem weitläufigen und abschüssigen Gelände eigentlich über vier Geschosse erstreckt und es somit über eine ungewöhnliche Größe verfügt. Seine Bau- und Nutzungsgeschichte, die bis in die Mitte der 1930er Jahre zurückreicht, macht das Gebäude darüber hinaus zu einem geschichtsträchtigen Ort: Vermutlich 1936-38 errichtet, gehörte es als Dienstgebäude zu einem so genannten "Gefechtsstand" des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW), der ursprünglich das gesamte heutige Schulgelände zwischen Clayallee und den Straßen Auf dem Grat und Am Schülerheim einnahm. (1) Von ehemals vier Bauten sind neben dem am Föhrenweg noch zwei weitere erhalten, die seit 1946 von der Rudolf-Steiner-Schule genutzt werden. (2) Das gesamte Gelände war nach dem Zweiten Weltkrieg von den amerikanischen Truppen beschlagnahmt worden, das Gebäude Föhrenweg 21 diente zuerst dem US-Geheimdienst, später der US-Militärmission in Potsdam (USMLM), die 1980-81 einen Anbau anfügen ließ, sowie ab 1991 den Amerikanern und dem Bundesnachrichtendienst (BND) gemeinsam als Dienststelle. (3) Trotz einiger weniger baulicher Veränderungen (4) dokumentiert das Gebäude eine über fünf Jahrzehnte andauernde militärische Repräsentanz mitten in der Dahlemer Villenkolonie.

Eine Besonderheit im Inneren des Hauses ist, dass die beiden unteren Geschosse als Bunker ausgebildet sind. Mehr als einen halben Meter dicke Betonwände, Fenster mit Stahlläden und Geschossdecken mit Betonkappen schützen den Bauteil, der wie ein Kern von dem Gebäude umhüllt ist. Im untersten Geschoss befindet sich zudem an der Südseite ein Fluchttunnel mit Stahltür. (5) Auch die Raumaufteilung zeigt, dass das Haus am Föhrenweg nie als Wohngebäude genutzt wurde: Neben weitgehend gleich großen Diensträumen auf allen Etagen (6), die von zwei Treppenhäusern erschlossen werden, gab es ursprünglich nur auf der Eingangsebene einen größeren Empfangsraum, der in der Nachkriegszeit unterteilt wurde. Im Kellergeschoss diente ein Raum, der ehemals über eine separate Treppe mit den beiden Hauptgeschossen verbunden war, wohl als Küche zur Versorgung der Dienststelle.

Die äußere Gestaltung des Hauses lebt hauptsächlich von den in unterschiedlichen Gelb- und Brauntönen changierenden Backsteinwänden und den mit weiß gestrichenen Gittern versehenen Fenstern. (7) Die Giebelseite des Gebäudes zur Straße wird als Hauptfassade durch ein Ziegelmuster entlang der Giebelkante und eine doppelläufige Treppenanlage, über die man die mit Werkstein gerahmte Haustür mit Supraporten-Relief erreicht, belebt. (8) Die rückwärtige Giebelseite zeigt das gleiche Ziegelmuster und ist darüber hinaus durch einen halbrunden Vorbau akzentuiert, an den in den beiden Obergeschossen Balkone angefügt sind. Der untere, weit auskragende Balkon ruht auf einem bauzeitlichen Garagenanbau. Der 1980-81 an die Südwestecke des Hauses angefügte, ehemals fensterlose Backsteinkubus mit Schornstein war für die Heizungsanlage, ein Fotolabor sowie Diensträume bestimmt. Am nördlichen Grundstücksrand wurden seit den 1950er Jahren mehrere zusätzliche Garagenbauten errichtet. (9)

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(1) Auf dem Grat 1/5, Clayallee 104/128, Föhrenweg 21. Genauere Angaben zu Baudatum, Entwurfsverfasser und Raumnutzungen der Bauten sind aufgrund fehlender Bauakten nicht möglich. Sämtliche Informationen zum Gebäude stammen aus Plänen und Unterlagen der Nachkriegszeit, die sich im Besitz des heutigen Eigentümers befinden, sowie aus Publikationen zur Nutzung durch die US-Behörden. Schüler der Rudolf-Steiner-Schule haben das verfügbare Material zusammengetragen, aus dem sie eine Dauerausstellung im Gebäude und eine Publikation erstellt haben. Vgl. Goedecke, Alisa/ Dumas, Benoît: Die Geschichte des Schulgeländes Föhrenweg 19-21, Berlin 2009; Streckel, Söhnke: Lizensierte Spionage, Die alliierten Militärverbindungsmissionen und das MfS, Publikationsreihe des Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Sachsen-Anhalt 2008, S. 171-175; Griesbach, Lutz: Das geheimnisvolle Haus. In: www. guardbattalion.de (zuletzt geprüft am 6.1.2011). In den Memoiren Wilhelm Keitels, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht und Hitlers engster militärischer Berater, wird das Gebäude erwähnt und als "Gefechtsstand" bezeichnet. Vgl. Keitel, Wilhelm: Mein Leben. Pflichterfüllung bis zum Untergang, Werner Maser (Hrsg.), Berlin 1998, S. 308, 378.

(2) Am Eingang Auf dem Grat 1/5 steht ein ehemaliges Pförtnerhäuschen - ebenfalls ein Backsteinbau -, ein Stück weiter nördlich, heute das Verwaltungsgebäude der Schule, das so genannte Haus I, das über dem Eingang ein Werksteinrelief in ähnlicher Gestaltung hat wie das Relief über der Haustür am Föhrenweg.

(3) Von BND und DIA/Defense Intelligence Agency als "bilaterale deutsch-amerikanische Dienststelle", die "gemeinsam den Abzug der Westgruppe der Truppen (WGT) beobachten, geheime Dokumente und Wehrtechnik beschaffen sowie Agenten unter den russischen Militärangehörigen werben" sollte. Offiziell firmierte die Dienststelle als "Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung" (später "Dokumentationsstelle für Wehrtechnik und Umweltschutz"). Vgl. Streckel, Söhnke: Lizensierte Spionage. Die alliierten Militärverbindungsmissionen und das MfS, Publikationsreihe des Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Sachsen-Anhalt 2008, S. 172.

(4) Von den Amerikanern waren im Inneren einige Räume durch Leichtbauwände unterteilt, an der Nordseite zwei Fenster zugemauert; technische Einbauten erforderten Kabelkanäle u.ä. In allen Geschossen sind originale Türen und Türrahmen sowie zum Teil Bodenbeläge und Wandvertäfelungen erhalten. Seit 2009 wurden die Veränderungen der Nachkriegsnutzung weitgehend zurückgebaut, an der Südseite des Hauses eine neue Zugangstür und im Anbau Fenster eingebaut. Zur Zeit dieser Baumaßnahmen stand das Gebäude noch nicht als Bodendenkmal eingetragen.

(5) Der Tunnel endet heute allerdings nach nur wenigen Metern. Er wurde vermutlich von den Amerikanern für den neuen Anbau umgebaut und zu Lagerzwecken genutzt.

(6) Das Dachgeschoss hatte ursprünglich wohl nur einen nutzbaren Raum an der östlichen Giebelseite, der vom Fenster über der Haustür belichtet wurde. Die übrigen Dachräume wurden nach bisherigem Kenntnisstand erst nach dem Krieg von den Amerikanern ausgebaut.

(7) In den beiden unteren Geschossen sind die Gitter mit einfachen Schmuckelementen verziert, die noch aus der Erbauungszeit stammen. Die Gitter im Obergeschoss wurden vereinfacht in der Nachkriegszeit eingebaut.

(8) Das Relief, signiert vom Bildhauer Otto Maerker (1891-1967), zeigt zwei Jäger mit Hunden, die mit Speeren ein Wildschwein jagen - ein verharmlosender Hinweis auf die Wehrmacht als Bauherrn und Nutzer.

(9) Eine der Aufgaben der USMLM (US Military Liaison Mission/ Militärverbindungsmission) war es, durch das von den Sowjettruppen besetzte Gebiet zu fahren, um Militärgerät und Truppenbewegungen zu fotografieren. Die Fotos wurden im Föhrenweg entwickelt und ausgewertet, die Fahrzeugflotte war hier stationiert. Vgl. Griesbach, Lutz: Das geheimnisvolle Haus. In: www. guardbattalion.de. (zuletzt geprüft am 6.1.2011).

Literatur:

  • Keitel, Wilhelm/ Mein Leben. Pflichterfüllung bis zum Untergang, Werner Maser (Hg.), Berlin 1998 / Seite S. 378
  • Topographie Dahlem, 2011 / Seite 227
  • Streckel, Söhnke/ Lizensierte Spionage. Die alliierten Militärverbindungsmissionen und das MfS, Publikationsreihe des Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Sachsen-Anhalt 2008. / Seite S. 172
  • Griesbach, Lutz/ Das geheimnisvolle Haus. / Seite www. guardbattalion.de (zuletzt geprüft am 28.7.2009)
  • Topographie Dahlem, 2011

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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