Denkmaldatenbank
Haus Cumberland, Boarding-Palast
09020743 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Charlottenburg |
Adressen | Kurfürstendamm 193, 194 Lietzenburger Straße 104, 106 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Bürogebäude & Kino & Theater |
Datierung | 1911-1912 |
Entwurf | Leibnitz, Robert (Architekt) |
Bauherr | Berg, Fedor (Bankier) |
Zwischen Kurfürstendamm und Lietzenburger Straße erstreckt sich über die gesamte Tiefe des Blocks der ehemalige Boarding-Palast, Kurfürstendamm 193-194, Lietzenburger Straße 104-106, der 1911-12 nach Entwurf des Regierungsbaumeisters Robert Leibnitz errichtet wurde. (1) Bauherr war der Bankier Fedor Berg, der damit in Berlin den amerikanischen Hoteltyp des Boardinghouse, das vom Einzelzimmer bis zum luxuriösen Apartment verschiedene Wohnmöglichkeiten anbot, einführen wollte. (2) Mit dem Konzept ging Berg schon 1913 in Konkurs. Unter dem Namen "Hotel Cumberland" (3) wurde der Hotelbetrieb von der Dresdener Sendig Hotel AG noch bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs fortgeführt. Die nachfolgende, knapp einhundertjährige Nutzungsgeschichte als Verwaltungsgebäude endete 2013, als nach zweijähriger Bauzeit das Haus Cumberland mit etwa 200 Eigentumswohnungen, 16 Büro- und fünf Geschäftseinheiten wiedereröffnet wurde. (4) Trotz der zahlreichen Umnutzungen und einiger Kriegsschäden im Flügel an der Lietzenburger Straße, der 1950 instand gesetzt wurde, hat sich nicht nur das Äußere des Gebäudes, sondern insbesondere im Erdgeschoss auch die wandfeste Ausstattung der Repräsentationsräume in weiten Bereichen erhalten. Während von anderen Grandhotels der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wie dem Hotel Esplanade oder dem Hotel Adlon nur noch bauliche Reste existieren, ist mit dem Haus Cumberland ein bedeutendes Beispiel dieses Bautyps noch weitgehend bewahrt.
Robert Leibnitz, der sich mit dem Adlon am Pariser Platz (zusammen mit Carl Gause) als Hotelarchitekt profiliert hatte, entwarf auf dem lang gestreckten, etwa 10.000 Quadratmeter großen Grundstück eine fünfgeschossige Flügelanlage mit drei großen, kunstvoll gestalteten Gartenhöfen hintereinander und zwei seitlichen Wirtschaftshöfen. Während die luxuriös ausgestatteten Gesellschaftsräume das hohe Erdgeschoss einnahmen, enthielten die vier Obergeschosse und das ausgebaute Dachgeschoss ursprünglich 327 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe. Die Erschließung des Gebäudes erfolgte über die Seitenflügel: Den westlichen durchzog eine Durchfahrt zwischen Kurfürstendamm und Lietzenburger Straße, im östlichen Flügel folgten auf die Eingangshalle des Hotels die Repräsentationsräume bis zum Großen Festsaal (Kaisersaal) an der Lietzenburger Straße, der nach dem Wiederaufbau 1951 zum Kino "Film-Theater Berlin" umgebaut wurde. (5) Das ehemalige Konzert-Café am Kurfürstendamm war 1914 zunächst weiterbetrieben, in den 1920er Jahren zum Kabarett-Theater und Kino umgebaut und schließlich bis 1961 als Restaurant genutzt worden. (6) Heute sind hier Ladenlokale und ein Restaurant untergebracht, in denen die Reste der bauzeitlichen Raumgestaltung noch zu sehen sind.
Im Stadtraum sticht das Gebäude durch seine schlichte Gestaltung hervor, gerade auch im Vergleich zu den gegenüberliegenden neobarocken Häusern Kurfürstendamm 48-50. Hauptgliederungsmittel sind drei weit vortretende Risalite mit paarweise angeordneten Erkervorbauten, die in den ersten zwei Obergeschossen durch Balkone zusammengefasst werden. Die äußeren Achsen sind zurückgesetzt, der Mittelteil ist von einem monumentalen Walmdach überfangen. Wenngleich es sich bei dem Gebäude ursprünglich um einen Hotelbau handelte, hatte die einheitliche Fassadengestaltung Modellcharakter für die Entwicklung des innerstädtischen Mietshauses zum einheitlichen Baublock. Allein das überhöhte Walmdach, das trotz der regelmäßigen Fassade die Mitte betont, erinnert noch an das ältere Palastschema. Die Inneneinrichtung war in einem prächtigen Klassizismus ausgeführt, der als bürgerlicher Repräsentationsstil auch den reformorientierten Architekten der Zeit als verbindlich galt. Dieser, nach dem gleichnamigen, 1908 erschienenen Buch von Paul Mebes "Um 1800" benannte Stil gilt in seiner schlichteren Ausprägung als Übergang zur klassischen Moderne der 1920er und 1930er Jahre. (7)
(1) Neuer Typus eines vornehmen Wohn- und Gasthauses. In: Baugewerks-Zeitung 44 (1912), S. 765 f.; BAW 15 (1912/13), S. 399-412, Abb. 530-547; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 573-575, Abb. 762-764; Posener, Julius: Berlin auf dem Weg zu einer neuen Architektur, Das Zeitalter Wilhelms II., München 1979, S. 335, 337, 618; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VIII, Bauten für Handel und Gewerbe, Bd. B, Gastgewerbe, Berlin 1980, S. 15-18, 42; Schmitt, Michael: Palast-Hotels, Architektur und Anspruch eines Bautyps 1870-1920, Berlin 1982, S. 31, 166 f., Abb. 6, 143 f.; Metzger, Karl-Heinz/Dunker, Ulrich: Der Kurfürstendamm, Leben und Mythos des Boulevards in 100 Jahren deutscher Geschichte, Berlin 1986, S. 94-97; Von Haus zu Haus am Kurfürstendamm, Geschichte und Geschichten über Berlins ersten Boulevard, hrsg. v. Museum Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, Berlin 2011, S. 182 f.
(2) Zuerst wollte Berg auf dem Grundstück ein Opernhaus errichten. Weil die Pläne nicht genehmigt wurden und das Opernhaus an der Bismarckstraße bereits im Bau war, verfolgte Berg die Idee des Boarding-Palastes. Dieser sollte den Gästen den Luxus eines großen Hotels und die Annehmlichkeiten einer bequemen Wohnung auch für einen längeren Aufenthalt bieten. Mit der Lage im "Zentrum des elegantesten Wohnviertels" "des neuen Berlin", "weit draußen vor den Toren der City (.) und doch mitten im weltstädtischen Leben des Luxus und Genusses" wurde geworben. Vgl. Metzger/Dunker 1986, S. 96. (3) Der Name des Herzogs von Cumberland, Ernst August von Hannover, sollte dem Luxushotel Glanz verleihen. Vgl. www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezir k/wirtschaft/gastronomie/artikel.180297.php
(4) Ab 1914 war hier das Waffen- und Munitions-Beschaffungsamt Berlin des Kriegsministeriums untergebracht, seit etwa 1922 das Reichswirtschaftsministerium, 1923-28 diente das Haus der Oberpostdirektion Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es von der Oberfinanzdirektion der Stadt Berlin genutzt. Vgl. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 573.
(5) Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995, hrsg. v. Sylvaine Hänsel und Angelika Schmitt, Berlin 1995, S. 44 f.
(6) 1922 Theater im Palmenhaus, 1924 Palmenhauskino, 1926 Kabarett der Komiker, 1930-31 Nelson-Theater, 1931 Theater "Der blaue Vogel", 1932 Theater-Gesellschaft "Die Schmiere". Vgl. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 574.
(7) Mebes, Paul: Um 1800, Architektur und Handwerk im letzten Jahrhundert ihrer traditionellen Entwicklung, München 1908.
Literatur:
- Berliner Architekturwelt 15 (1912/13) / Seite 399-412
- BusB VIII B 1980 / Seite 15f., 42
- Baugewerks-Zeitung 44 (1912) / Seite 765-66
- Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 573ff.
- Kinoarchitektur in Berlin 1895-1995, hrsg. v. Sylvaine Hänsel und Angelika Schmitt, Berlin 1995 / Seite 44-45
- Baumunk: Berliner Grand-Hotels und was darausgeworden ist, in: Bauwelt 73 (1982) / Seite 1834
- Posener: Berlin auf dem Wege, 1979 / Seite 335, 618
- Schmitt: Palast-Hotels. Architektur und Anspruch eines Bautyps 1870-1920, Berlin 1982 / Seite 166f.
- Zentralblatt der Bauverwaltung 28 (1908) 61 / Seite 414, 417
- Rürup, Reinhard (Hrsg.): Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der Technische Universität Berlin 1879-1979, Bd. 1, Berlin/Heidelberg/New York 1979 / Seite 179
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