Denkmaldatenbank

Union-Palast (ehem.), Haus Wien

Obj.-Dok.-Nr. 09020714
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Kurfürstendamm 26
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kino & Gaststätte
Datierung 1912-1913
Umbau 1953
Entwurf Nentwich & Simon, E. (Architekt)
Bauherr Foerder, Siegfried & Foerder, Alex

Das Gebäude für den ehemaligen Union-Palast, Kurfürstendamm 26, das 1912-13 nach Entwurf von Günther Nentwich und Karl Wilhelm Simon errichtet wurde, fällt durch seine vollständig in Werkstein ausgeführte Fassade und eine monumentale, klassizistische Formensprache auf. (1) Die Gestaltung mit kolossalen ionischen Säulen und Dreiecksgiebel lässt erkennen, dass es sich hier nicht um ein Wohnhaus handelte, sondern um einen repräsentativ gestalteten öffentlichen Ort. Tatsächlich war ein Mietshaus aus den 1890er Jahren abgerissen worden, um auch am Kurfürstendamm eines der Gebäude zu schaffen, die ausschließlich dem Vergnügen und dem noch jungen Medium des Films dienten: Neben einem zweigeschossigen, von Galerien umgebenen Tanzcafé im Erdgeschoss enthielt das Haus im Obergeschoss eines der ersten großen Lichtspiel-Theater Berlins. Anders als beim 1911-12 nach Entwurf von Franz Schwechten errichteten, in den 1920er Jahren als "Haus Vaterland" bekannt gewordene Gebäude am Potsdamer Platz, das ursprünglich ebenfalls ein Filmtheater und ein Café beherbergte, gab es hier keine weitere Nutzung. Bei der Fassadengestaltung griffen Nentwich & Simon auf ein Vorbild zurück, das den Vergnügungspalast in die Tradition der Hochkultur stellen sollte: Die eingestellten Säulen, das breite Gesims und der hohe Dreiecksgiebel zitieren beinahe wörtlich das Königliche Schauspielhaus in Potsdam, einen frühklassizistischen Bau von Carl Gotthard Langhans. (2) Auch im Inneren erinnerte die Ausstattung mit klassizistischem Dekor und seitlichen Logen an einen Theatersaal; das Foyer und der repräsentative Treppenaufgang waren zugleich die Bühne für das Publikum. In die Erdgeschossräume zog das Café des Westens ein, das zuvor einige Häuser weiter an der Ecke Joachimsthaler Straße residiert hatte. Im Untergeschoss gab es das Restaurant "Zigeunerkeller". Der Kinosaal des Union-Palastes, ab 1945 Haus Wien, wurde 1953-54 von Bruno Meltendorf vollkommen umgestaltet und 1983 in mehrere kleine Säle aufgeteilt. Im Jahr 2000 wurde der Kinobetrieb eingestellt und das Gebäude zum Wohn- und Geschäftshaus umgebaut; dabei wurde am etwas niedrigeren seitlichen Anbau das steile Dach mit Gaube zugunsten einer Aufstockung aufgegeben. Der Tanzsaal, dessen Innenausstattung bereits 1980 bei einem Brand zerstört worden war, wird heute als Laden genutzt. Die Fassade jedoch hält die Erinnerung an die historische Bedeutung des Gebäudes wach.


(1) Wiener Bauindustrie-Zeitung 33 (1915/16), S. 55; BAW 18 (1916), S. 18-27; Deutsche Bauhütte 20 (1916), S. 13; Schliepmann, Hans: Lichtspieltheater, Eine Sammlung ausgeführter Kinohäuser in Groß-Berlin, Berlin 1914, S. 33 f. (Abb. 34, 35, 104-109); BW 20 (1929), H. 35, S. 843, Beilage S. 1; Zucker, Paul: Theater und Lichtspielhäuser, Berlin 1926, S. 149-152; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 330 f.; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VIII, Bauten für Handel und Gewerbe, Bd. B, Gastgewerbe, Berlin 1980, S. 111; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil V, Bd. A, Bauten für die Kunst, Berlin-München 1983, S. 162, 187; Metzger, Karl-Heinz/Dunker, Ulrich: Der Kurfürstendamm, Leben und Mythos des Boulevards in 100 Jahren deutscher Geschichte, Berlin 1986, S. 116-118; Das Ufa-Buch: Kunst und Krisen, Stars und Regisseure, Wirtschaft und Politik, Die internationale Geschichte von Deutschlands größtem Film-Konzern, hrsg. v. Michael Bock u. Hans-Michael Töteberg, Frankfurt/M. 1992, S. 107; Kinoarchitektur in Berlin 1995, S. 42 f.; Kreutzmüller, Christoph: Kaffee, Vergnügen und Kommerz, Geschäfte am Kurfürstendamm. In: Heimweh nach dem Kurfürstendamm, Geschichte, Gegenwart und Perspektiven des Berliner Boulevards, hrsg. v. Michael Zajonz und Sven Kuhrau, Petersberg 2009, S. 73-84, bes. S. 76 f., 79; Von Haus zu Haus am Kurfürstendamm, Geschichte und Geschichten über Berlins ersten Boulevard, hrsg. v. Museum Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, Berlin 2011, S. 26 f.

(2) Das Königliche Schauspielhaus in Potsdam wurde 1793-95 von Carl Gotthard Langhans und Michael Philipp Boumann errichtet. Der Bau ist in Paul Mebes' 1908 publizierter Vorbildersammlung "Um 1800" abgebildet. Vgl. Mebes, Paul: Um 1800, Architektur und Handwerk im letzten Jahrhundert ihrer traditionellen Entwicklung, München 1908, S. 55.

Literatur:

  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 330
  • Berliner Architekturwelt 18 (1916) / Seite 19-27, mit Aus. 9, Innenraum ohne Text
  • Deutsche Bauhütte 20 (1916) / Seite mit 2 großen Aus. o. Text, S. 13
  • Wiener Bauindustrie-Zeitung 33 (1915/16) / Seite 55
  • Schliepmann, Hans/ Lichtspieltheater. Berlin 1926 / Seite 34, 104-109, 149-52 (??)
  • BusB V A 1983 / Seite 187
  • Bauwelt 20 (1929) 35 / Seite 843 und Beilage S. 1
  • Zucker, Paul/ Theater und Lichtspielhäuser, Berlin 1926 / Seite 149-152
  • BusB VIII B 1980 / Seite 111

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