Denkmaldatenbank

Landwehrkasino (ehem.), Kunstbibliothek (ehem.)

Obj.-Dok.-Nr. 09020678
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Jebensstraße 2
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Kasino
Datierung 1908-1909
Umbau 1920, 1955
Entwurf Schmieden, Heino & Boethke, Julius (Baumeister)
Entwurf Grimmek, Bruno & Gensch (Architekt)
Entwurf Schultze (Architekt)
Ausführung Wittling und Güldner (Architekt)
Bauherr Kameradschaftliche Vereinigung des Offizierskorps der Landwehrinspektion Berlin

Das ehemalige Versammlungshaus für die Offiziere der Landwehr-Inspektion Berlin, Jebensstraße 2, das 1908-09 von Heino Schmieden und Julius Boethke errichtet wurde und seit 2004 das Museum für Fotografie und die Helmut-Newton-Stiftung beherbergt, fügt sich in die Reihe der wilhelminischen Großbauten entlang der Jebensstraße ein. (1) Bauherr war die "Kameradschaftliche Vereinigung von 1872 des Offizierscorps der Landwehr-Inspection Berlin e.V.", die das imposante Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zur Militärtechnischen Akademie (2) selbst finanziert und mittels eines Wettbewerbs unter ihren Mitgliedern für den Entwurf die Architekten Schmieden und Boethke ausgewählt hatte. Für die Bauaufgabe Vereinshaus stellt das später als Landwehr-Kasino bezeichnete Gebäude einen bedeutenden Vertreter der Kaiserzeit dar, der zudem eine ungewöhnliche Nutzungsgeschichte aufweist: Im Ersten Weltkrieg diente es als Lazarett, 1919 wurde der große Festsaal, der so genannte Kaisersaal, zum Theater umgebaut und das Gebäude öffentlich zugänglich, ab 1937 wurde es wieder Offizierskasino, nach dem Zweiten Weltkrieg zogen die Galerie des 20. Jahrhunderts und die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen ein. (3) Mit seinem repräsentativen Foyer- und Treppenhausbereich sowie den vielen großzügigen Sälen und Versammlungsräumen bot das Gebäude beste Voraussetzungen für eine Ausstellungsnutzung. Mit seiner Fassadengestaltung in neoklassizistischen Formen betont das Vereinshaus die militärische Strenge seiner ursprünglichen Aufgabe.

Der viergeschossige Putzbau mit Werksteinsockel und hohem Walmdach besteht aus einem breit gelagerten Vorderhaus mit rückwärtigem Mittelflügel und einem Quergebäude. Das Raumprogramm umfasste ursprünglich unterschiedlich große Vereins-, Sitzungs- und Festräume, darunter den zweigeschossigen Kaisersaal im zweiten Obergeschoss, die geschickt um das zentrale Haupttreppenhaus angeordnet waren. Küchen zur gastronomischen Versorgung der Säle gab es im südwestlichen Teil des Quergebäudes auf allen Geschossen, im Untergeschoss waren Schießstände, Kegelbahnen und ein Weinkeller untergebracht. Die Straßenfront des Gebäudes ist symmetrisch gegliedert: An einem flachen Mittelrisalit sind über den fünf Eingangstüren die Fensterachsen von einer Kolossalordnung aus Wandpfeilern mit ionischen Kapitellen in Werkstein gerahmt, darüber ein mächtiger Dreiecksgiebel mit Inschrift. (4) Die seitlichen Fassadenteile sind durch flache Wandvorlagen und ein schmales Gesims unter dem obersten Geschoss zurückhaltender gestaltet.


(1) ZdB 30 (1910), S. 57-62; BAW 13 (1910/11), S. 300-303; Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 183, 274-277; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VIII, Bauten für Handel und Gewerbe, Bd. B, Gastgewerbe, Berlin 1980, S. 132-134, 148; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil V, Bd. A, Bauten für die Kunst, Berlin-München 1983, S. 120; Nitsch, Ute: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z, Ein Lexikon, hrsg. v. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2003, S. 164.

(2) Die Vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule, die sich seit 1876 auf dem benachbarten Grundstück an der Fasanenstraße befand, wurde 1907 mit der Militärtechnischen Akademie vereinigt und unter diesem Namen fortgeführt.

(3) Der Kaisersaal erstreckt sich über die gesamte Tiefe des Gebäudes, war mit einem kassettierten Tonnengewölbe überdeckt und hat eine Grundfläche von etwa 660 Quadratmetern. 1919 wurde eine Bühne eingebaut und 1921-22 ein Zuschauerraum mit 750 Plätzen eingerichtet. Bis 1937 gab es verschiedene Theater (u.a. das "Neue Theater am Zoo" und "Deutsches Volkstheater") und Besitzer. Dann wurde das Gebäude wieder in den alten Zustand versetzt und als Landwehr-Kasino genutzt. 1949-54 erfolgte die Beseitigung von Kriegsschäden und ein Umbau im Inneren durch die Architekten Bruno Grimmek und Gensch vom Hauptamt für Hochbau. Vgl. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 274. Zwischen 1978 bis 1986 nutzte die Berlinische Galerie das Gebäude für Ausstellungen; mit dem Umzug der Kunstbibliothek an das Kulturforum 1998 wurde es nur noch als Depot und Werkstatt vom Museum Europäischer Kulturen und der Alten Nationalgalerie gebraucht. Erst 2010 wurde der noch immer kriegszerstörte Kaisersaal durch Kahlfeldt Architekten saniert. Vgl. Brinkmann, Ulrich: Vom Exponat zum Werkzeug. In: BW 101 (2010), H. 24, S. 4.

(4) "UNTER DER REGIERUNG WILHELMS II. DEUTSCHEN KAISERS KOENIGS VON PREUSSEN ERB. V. D. KAMERADSCHAFTL. VEREINIGUNG D. OFFIZ. D. LANDWEHR INSP. BERLIN MCMIX"

Literatur:

  • Berliner Architekturwelt 13 (1911) / Seite 300ff.
  • Springer / Seite 25, 159
  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 183, 274, 276
  • BusB VIII B 1980 / Seite 132-134, 148
  • BusB V A 1983 / Seite 120
  • Zentralblatt der Bauverwaltung 30 (1910) / Seite 57-62

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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