Denkmaldatenbank
Haus Westend
09020525 | |
Bezirk | Charlottenburg-Wilmersdorf |
Ortsteil | Westend |
Adressen | Ebereschenallee 16 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Wohnhaus |
Datierung | 1908 |
Entwurf | Paul, Bruno (Architekt) |
Bauherr | Schuppmann, Hans (Direktor) |
Ausführung | Joseph Fraenkel (Baugeschäft) |
Das in der Fachliteratur wohl meistbeachtete Bauwerk der Villenkolonie Westend, das Haus Westend, Ebereschenallee 16, ist das Erstlingswerk des Grafikers, Kunsthandwerkers und Architekten Bruno Paul, der als Schlüsselfigur der künstlerischen Reformbewegung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gilt. (1) 1908 entstand das großbürgerliche Wohnhaus, dessen Bauherr Hans Schuppmann, Ofenfabrikant und Leiter des kaufmännischen Büros der Berliner Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, war. Das 1898 in München gegründete Unternehmen fertigte hochwertige Inneneinrichtungen; sein wichtigster Entwerfer war Bruno Paul. Das vielfach in Text und Bild publizierte Haus Westend gilt als Musterbeispiel für die Kunstgewerbe- und Architekturreform vor dem Ersten Weltkrieg. (2) Es bezeugt Bruno Pauls charakteristische Handschrift als Architekt und die Hochwertigkeit des Interieurdesigns der Vereinigten Werkstätten. Auf die Fabrikation des Bauherrn verweisen zwei Kamine nach Entwürfen Bruno Pauls. Vermutlich war Ludwig Mies van der Rohe, damals Schüler Bruno Pauls an der Kunstgewerbeschule, an Entwürfen beteiligt. (3) 1964-87 diente das Haus als Altersheim der DRK und wurde nach längerem Leerstand als Bürohaus genutzt. Derzeit wird es nach einem Besitzerwechsel umfassend saniert. Das Grundstück, das einst bis zur Rüsternallee reichte und sich in einen Ziergarten und dahinterliegenden Lawn-Tennisplatz mit flankierenden Pergolen gliederte, ist heute geteilt.
Den kubischen Baukörper mit hohem Walmdach kennzeichnet eine streng symmetrische Fassadengliederung. Die großen, hochrechteckigen, scharfkantig eingeschnittenen Öffnungen verleihen dem Haus eine bemerkenswerte Modernität. Der Mittelteil ist leicht zurückgesetzt und wird durch drei auffallend hohe Fenstertüren akzentuiert. Schlanke Lisenen strukturieren die Wandflächen. Streng lineare Rahmungen betonen eine Dreifenstergruppe und den Eingang mit Treppe und vorgelagertem Podest. Architektonische Schmuckformen sind lediglich die drei polygonalen Dachhäuser sowie die Ziergitter mit Rauten. (4) Das Rautenmotiv kehrte als Leitmotiv im Interieur immer wieder auf. Bruno Paul orientierte die Funktions- und Wirtschaftsräume des etwa 340 Quadratmeter großen Hauses nach Norden zur Straße und die für eine Villa obligatorischen Wohn- und Schlafräume zum Garten. Den Mittelpunkt bildet die zweigeschossige, mit Birkenholz vertäfelte Diele mit Kaminnische, Treppe und Galerie, die zu den eindrucksvollsten Innenräumen Westends gehört. Auch in Vorraum, Speisezimmer und Herrenzimmer (Makassar-Ebenholz) sowie in zwei Bäder ist die wandfeste Ausstattung teils erhalten. Bei der ursprünglich herausragenden Ausgestaltung von Haus Westend bediente sich Bruno Paul des Formenkanons der Bewegung "Um 1800", variierte und differenzierte ihn mannigfach. (5) Wand- und Heizkörperverkleidungen, Einbauschränke, Möbel der Vereinigten Werkstätten sowie Antiquitäten der Biedermeierzeit fügten sich zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk großbürgerlichen Wohnens.
(1) 1906 wurde Paul als Direktor der Berliner Kunstgewerbeschule berufen. Vgl. Steigenberger, Thomas: Bruno Paul. In: Baumeister. Ingenieure. Gartenarchitekten, hrsg. v. Jessica Hänsel, Jörg Haspel, Christiane Salge, Kerstin Wittmann-Englert (Berlinische Lebensbilder, Bd. 11), Berlin 2016, S. 273-289.
(2) Post, Hermann: Bruno Paul als Architekt. In: Deutsche Kunst und Dekoration 25 (1909/10), S. 165-205 (mit zahlreichen Abb.); Wetzel, Ines: Vom Einrichten des bürgerlichen Heims. In: Innendekoration 21 (1910), Abb. S. 26 f., 29; Popp, Joseph: Bruno Paul, München 1916, S. 66-75; Platz, Gustav Adolf: Die Baukunst der neuesten Zeit, Berlin 1927, S. 319; Ribbe, Wolfgang/Schäche, Wolfgang (Hrsg.): Baumeister, Architekten, Stadtplaner. Biographien zur baulichen Entwicklung Berlins, Berlin 1987, S. 644 f.; Günther, Sonja: Bruno Paul 1874-1968, Berlin 1992, S. 81-86, 149; Ziffer, Alfred (Hrsg.): Bruno Paul, Deutsche Raumkunst und Architektur zwischen Jugendstil und Moderne, München 1992, S. 289 f., Kat. Nr. 620; Harrod, William Owen: Bruno Paul, The Life and Work of a Pragmatic Modernist, Stuttgart 2005, S. 32 f., Abb. 45-47; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Berlin, bearb. v. Sibylle Badstübner-Gröger, Michael Bollé, Ralph Paschke u. a., 3. Aufl., durchgesehen u. ergänzt v. Michael Bollé, München-Berlin 2006, S. 280; Worbs, Dietrich: Villen in Westend 1871-1933. In: Heinz Reif (Hrsg.): Berliner Villenleben. Die Inszenierung bürgerlicher Wohnwelten am grünen Rand der Stadt um 1900, Berlin 2008 (Schriftenreihe des Landesarchivs Berlin, hrsg. v. Uwe Schaper, Bd. 12), S. 260-63; Steigenberger, Thomas: Bruno Paul. In: Baumeister. Ingenieure. Gartenarchitekten, hrsg. v. Jessica Hänsel, Jörg Haspel, Christiane Salge, Kerstin Wittmann-Englert (Berlinische Lebensbilder, Bd. 11), Berlin 2016, S. 280-282.
(3) Steigenberger, Thomas: Mies van der Rohe - ein Schüler Bruno Pauls? In: Mies van der Rohe, Frühe Bauten, Probleme der Erhaltung - Probleme der Bewertung, hrsg. v. Johannes Cramer und Dorothée Sack, Petersberg 2004, S. 152-159.
(4) Ursprünglich fand sich das Rautenmotiv auch am Geländer.
(5) Steigenberger, Thomas: Bruno Paul. In: Baumeister. Ingenieure. Gartenarchitekten. Hrsg. v. Jessica Hänsel, Jörg Haspel, Christiane Salge, Kerstin Wittmann-Englert (Berlinische Lebensbilder, Bd. 11), Berlin 2016, S. 282.
Literatur:
- Lange-Liste / Seite .
- Popp, Joseph/ Bruno Paul, München o.J. (1916) / Seite 68-75
- Günther, Sonja/ Das Werk des Karikaturisten, Möbelentwerfers und Architekten Bruno Paul (1874-1968) in Stadt 29 (1982) 10 / Seite 18-45, 72, bes. 34-35, 56 (dort weitere Literatur)
- Baumeister, Architekten, Stadtplaner, 1987 / Seite 644-45 (dort weitere Literatur)
Kontakt
Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem
- Tel.: (030) 90259-3653
- Fax: (030) 90259-3700
- E-Mail juliane.stamm@lda.berlin.de
Verkehrsanbindungen
-
U-Bahn
-
Bus
-
Jüdenstr.
- 248
- 300
-
Nikolaiviertel
- N8
- N40
- N60
- N65
-
Jüdenstr.