Denkmaldatenbank

Wohnheim Danckelmannstraße 46, 47

Obj.-Dok.-Nr. 09020499
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Ortsteil Charlottenburg
Adressen Danckelmannstraße 46, 47
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Wohnheim
Datierung 1906-1908
Umbau 1949, 1975
Entwurf Walter, Rudolf (Architekt)
Ausführung F. C. Reincke und Co. GmbH (Baugeschäft)
Bauherr Volkshotel AG "Ledigenheim"

Zu einer um die Jahrhundertwende neu entstandenen Baugattung gehört das ehemalige Ledigenheim, Danckelmannstraße 46-47, das 1906-08 von Charlottenburger Stadtbaurat Rudolf Walter errichtet wurde. (1) Bauherrin war die 1905 gegründete "Volkshotel AG Ledigenheim", die durch den Bau von Wohnheimen für Männer das soziale Problem des Schlafstellenwesens zu lösen suchte. (2) In Charlottenburg, wo im Jahr 1904 etwa 7.000 Schlafgänger gezählt wurden (3), eröffnete sie im April 1908 das erste Heim dieser Art in Deutschland. Die Einrichtung, die fast 350 Männern sechs Quadratmeter große Einzelzimmer für einen geringen Mietpreis bot, wurde von der Kommune unterstützt, indem sie Räume für eine Volksbibliothek, eine Volksbadeanstalt mit Wannen- und Brausebädern sowie eine Volksspeisehalle anmietete. Darüber hinaus gab es im Erdgeschoss des Gebäudes ursprünglich drei Läden, die ebenfalls zur Rentabilität beitrugen. (4) Das Ledigenheim in der Danckelmannstraße fand nicht nur wegen des sozialen Engagements seiner Erbauer, sondern auch wegen des neuartigen Baumaterials Kalksandstein in der zeitgenössischen Presse besondere Beachtung. (5) 1977-79 wurde das Haus in ein Studentenwohnheim mit 154 Zimmern umgebaut. (6)Das breit gelagerte Gebäude fügt sich in die Reihe der Mietshäuser ein, fällt jedoch durch seine Gestaltung auf. Es besteht aus einem fünfgeschossigen Vorderhaus, zwei Seitenflügeln und einem Quergebäude, die vier Höfe umschließen. Die Straßenfassade ist weitgehend symmetrisch gegliedert und in drei Abschnitte unterteilt: Ein leicht vortretender, von einem Dreiecksgiebel überfangener Mittelteil und zwei Seitenteile, die jeweils durch ein Tor in den äußeren Achsen und Fledermausgauben im flachen Walmdach gekennzeichnet sind. Die Tordurchfahrt in der südlichen Außenachse ist besonders geschmückt und diente ehemals als Durchgang zur Gemeindeschule an der Nehringstraße. Die Wirkung der Fassade wird bestimmt von der ockergelb gestrichenen Oberfläche des im Ziegelformat hergestellten Kalksandsteins; nur die Fensterstürze sind in gelben Verblendziegeln ausgeführt. Auch die sparsam eingesetzten Ornamente, wie die senkrechten Rosenfriese oder die waagerechten Eichengirlanden, sind aus gepressten Formsteinen gefertigt. Der bildhauerische Schmuck am Portal der südlichen Hofdurchfahrt wurde hingegen aus vorkragend vermauerten Steinen herausgearbeitet. Der Schriftzug "Ledigenheim" in geschwungener Schrift und die reliefierten Brüstungsfelder unter den Fenstern setzen zusätzliche Akzente. Die Fensteröffnungen, große Rundbogenfenster im Erdgeschoss und schmale Rechteckfenster in den Obergeschossen, kennzeichnen die ursprüngliche Nutzung: Während in den vier oberen Stockwerken die Zimmer an langen Fluren angeordnet waren, lagen im Erdgeschoss die Gemeinschaftsräume wie Bibliothek, Speisesäle, Läden und Dienstwohnungen. Im Keller waren Heizanlage und Baderäume untergebracht. Beim Entwurf des Hauses hatte Rudolf Walter besonderen Wert auf die Berücksichtigung hygienischer Gesichtspunkte gelegt: Zentralheizung, elektrisches Licht, Müllschlucker, Lüftungsanlagen für Sanitärräume und Flure sowie die gute Belichtung und Belüftung der Zimmer gewährleisteten einen für die damalige Zeit ungewöhnlichen Standard. (7)


(1) Walter, Rudolf: Das Charlottenburger Ledigenheim, Berlin 1911; ZBV 31 (1911), S. 635 f.; ZBV 45 (1925), S. 203; DBZ 59 (1925), S. 347 f.; 50 Jahre Volkswohnheim Gemeinnützige AG in Berlin-Charlottenburg, Berlin o. J. (1955); Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Stadt und Bezirk Charlottenburg, bearb. von Irmgard Wirth, Text- u. Tafelband, Berlin 1961, S. 199; Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten, Teil VII, Bd. B, Sozialbauten, Berlin 2003, S. 35 f., 333; Zünder, Ralf: Vom Ledigenheim zum Studentenwohnheim Danckelmannstraße, Berlin 1990 (Schriften zur Hochschul-Sozialpolitik, hrsg. vom Studentenwerk Berlin); Eisen, Markus: Vom Ledigenheim zum Boardinghouse, Berlin 2012.

(2) Schlafburschen waren meist junge Männer, die sich eigene Wohnungen nicht leisten konnten und bei fremden Familien ein Bett als Übernachtungsmöglichkeit anmieteten. Die Idee, solchen Männern eine eigene Unterkunft anzubieten, stammte aus England, wo der Politiker und Philanthrop Lord Rowton (1838-1903) 1892 erste Heime dieser Art ("Rowton-Houses") im Londoner Viertel Vauxhall hatte errichten lassen. Vgl. Zünder 1990, S. 16 ff.; Eisen, Markus: Vom Ledigenheim zum Boardinghouse, Berlin 2012, S. 39 ff.

(3) BusB VII B, S. 35.

(4) Von den 41 Aktionären der "Volkshotel AG" gehörten 22 dem Charlottenburger Magistrat bzw. der Stadtverordnetenversammlung an. Die 350 Betten standen in 285 Einbettzimmer, 12 Zweibettzimmer, 12 Dreibettzimmer. Vgl. ZdB 31 (1911), Nr. 100, S. 635 ff.; Zünder 1990, S. 23 f.; Eisen 2012, S. 50 ff.

(5) Für die aus den "Berliner Kalksandsteinwerken Robert Guthmann GmbH" stammenden Steine wurde eine Mischung von Kalk und Sand in Formen gepresst und unter Dampfdruck gehärtet. Sie haben ähnliche Eigenschaften wie Ziegel, sind in ihrer Herstellung aber erheblich billiger und können nachträglich bearbeitet oder angestrichen werden. Vgl. ZdB 45 (1925), S. 203; DBZ 59 (1925), S. 347.

(6) Bereits 1933 war der Speisesaal im Erdgeschoss zugunsten weiterer Schlafstellen umgebaut und die ehemals offene Vorhalle geschlossen worden. Bei der Sanierung 1977-79 wurden die Fassade und der bildhauerische Schmuck restauriert, im Erdgeschoss entstand u.a. aus den drei Läden eine Hausmeisterwohnung und für die Studentenzimmer in den Obergeschossen wurden meist zwei ehemalige Räume zusammengelegt. Vgl. Zünder 1990, S. 65 ff.

(7) Zünder 1990, S. 32 ff.

Literatur:

  • Inventar Charlottenburg, 1961 / Seite 199-200
  • Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeinde-Angelegenheiten der Stadt Charlottenburg, 1907 / Seite 152-57
  • Walter, Rudolf, Das Charlottenburger Ledigenheim, Berlin 1911 / Seite .
  • Berliner Architekturwelt 11 (1909) / Seite 57f.
  • Die gesundheitlichen Einrichtungen der königlichen Residenzstadt Charlottenburg. Festschrift, gewidmet dem 3. Internationalen Kongreß für Säuglingsschutz in Berlin, Berlin 1911 / Seite 76-80
  • Zentralblatt der Bauverwaltung 31 (1911) / Seite 635
  • Zentralblatt der Bauverwaltung 45 (1925) / Seite 203
  • Deutsche Bauzeitung 59 (1925) / Seite 347-348, T. 1
  • Horlitz, Albert, 50 Jahre Volkswohnheim..., Berlin 1955 / Seite 1-13

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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