Denkmaldatenbank

6. und 7. Gemeindeschule Oberschöneweide

Obj.-Dok.-Nr. 09020173
Bezirk Treptow-Köpenick
Ortsteil Oberschöneweide
Adressen Nalepastraße 203, 207, 209
Denkmalart Baudenkmal
Sachbegriff Schule
Datierung 1912-1914
Entwurf Hamacher, J. Th. (Architekt)
Bauherr Gemeinde Oberschöneweide

Am westlichen Rand des Oberschöneweider Wohngebiets, in der Nalepastraße 203/209, wurde 1912-14 die fünfte Gemeindeschule des Ortes errichtet. (1) Gemeindebaurat J. Th. Hamacher ordnete die mächtige Dreiflügelanlage unmittelbar gegenüber der Gemeindeschule in der Wattstraße an, die bereits zehn Jahre zuvor entstanden war. Der kommunale Großbau sollte die städtebauliche Erschließung des westlichen Stadtgebiets vorantreiben. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden jedoch die weit reichenden Pläne für eine verdichtete Bebauung um die Nalepastraße aufgegeben. Das Schulgebäude ist als Doppelschule angelegt. Die beiden spiegelgleichen Hälften, die über getrennte Eingänge und Treppenhäuser verfügen, nahmen 19 Mädchen- und 19 Jungenklassen mit über tausend Schülern auf. Architekt J. Th. Hamacher schuf einen monumentalen Backsteinbau, in dem sich barocke Motive mit einer reformierten Architektursprache in der Nachfolge von Alfred Messel und Ludwig Hoffmann verbinden. (2) Nach dem Vorbild von Schloßanlagen des 18. Jahrhunderts umschließen drei Flügel einen Ehrenhof. Die Fensterachsen sind durch subtil abgestufte Lisenen getrennt, die als bestimmende Gliederung über alle vier Geschosse reichen. Der Dekor wurde auf geometrische Grundformen reduziert. An der Nalepastraße sind die äußeren Fensterachsen und die Treppenhausrisalite hervorgehoben, die über dem Hauptgesims in einem Segmentbogengiebel schließen. In den Wandfeldern zwischen den Risaliten reichen die gliedernden Lisenen nur über drei Geschosse, während das obere Stockwerk über einem Werksteingesims deutlich abgesetzt ist. Vier repräsentative Treppenhäuser sorgen für eine Erschließung der Doppelschule. Im Mittelbau, der auch die Aula enthält, sind zwei getrennte Aufgänge für Jungen und Mädchen ausgebildet. Die beiden Treppenhäuser im Winkel von Hauptbau und Seitenflügel zeigen eine aufwändige Gestaltung. Doppelpfeiler umschließen eine festliche Treppenhalle, über die sich ein Kreuzgratgewölbe spannt. Die Pfeiler enden im vierten Geschoss. Dort tragen sie Skulpturen spielender Kinder. Nackte Knaben balgen sich, sie halten Fruchtschalen oder überquellende Fruchtgirlanden. Der Bildhauer gehörte wahrscheinlich zum Kreis um den Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann. (3) Die Gemeindeschule wird heute als Oberstufenzentrum für Wirtschaft und Sozialversicherung genutzt. (4) Nach Plänen des Architekturbüros Léon Wohlhage Wernik entstand 1998-99 neben den westlichen Seitenflügel ein kubischer Erweiterungsbau. (5)


1) Bau- und Kunstdenkmäler Berlin II, S. 328; BusB V C, S. 402; Treptower Schulgeschichte 1995, S. 67; Dehio Berlin 2000, S. 235; Seeböck 2000, S. 36; Materialsammlung von Waltraud Krause im Heimatmuseum Oberschöneweide.

2) Gemeindebaurat J. Th. Hamacher führte die Architektursprache von Alfred Messel und Ludwig Hoffmann mit einer stärkeren Abstrahierung des Dekors fort. Vergleichbare Bauformen zeigen die Landesversicherungsanstalt in Berlin-Mitte, 1903-04 von Alfred Messel, das Krankenhaus Moabit, 1899-1905 von Ludwig Hoffmann, und die Technische Schule am Zeppelinplatz in Berlin-Wedding, 1906-09 von Ludwig Hoffmann.

3) Möglicherweise stammen die Skulpturen von Ignatius Taschner. Bildmotiv und Stil verweisen auf den Bildhauer, der im frühen 20. Jahrhundert die öffentlich Gebäude Berlins mit Bildwerken ausstattete. Der Künstler gestaltete vor allem Figurengruppen mit Kindern. Vergleichbar sind die Kinderfiguren für das Städtische Waisenhaus in der Alten Jakobstraße, 1902-1910, für die Gemeindedoppelschule in der Thorner Straße, 1909-1911, für die Gemeindedoppelschule in der Pankstraße, 1909-1911 und für die Gemeindedoppelschule in der Goßlerstraße, 1910-1912. Die Skulpturen der Gemeindeschule Nalepastraße 203/209 sind allerdings nicht im Werkverzeichnis aufgeführt. Zu den Arbeiten von Ignatius Taschner siehe Ursel Berger unter Mitarbeit von Rainer Schelling: Ignatius Taschner als Architekturbildhauer in Berlin: "... in allen Kunstsprachweisen bewandert ...". in: Ignatius Taschner. Ein Künstlerleben zwischen Jugendstil und Neoklassizismus. Hrsg. von Norbert Götz und Ursel Berger. Ausstellungskatalog. München 1992, S. 217-261.

4) Nutzungsgeschichte: 1912 Beschluss zum Bau einer neuen Gemeindeschule, 1914 Eröffnung des Schulgebäudes, Verlegung der 1. Gemeindeschule aus der Kottmeierstraße und der 2. Gemeindeschule aus der Wattstraße in das neue Schulhaus, 1927 mit der Änderung der Schulnummerierung Umbenennung der 1./2. Gemeindeschule in 6./7. Volksschule, 1934 Auflösung der 7. Volksschule, 1935 Einzug der 1. Hilfsschule, für die Zeit nach 1945 ist die Nutzungsgeschichte nur lückenhaft überliefert, Umwandlung in Berufsschule, zeitweise Fachschule für Werbung und Gestaltung, nach 1990 Oberstufenzentrum Nachrichtentechnik Filiale Köpenick sowie Oberstufenzentrum Sozialversicherung, später Umwandlung in Oberstufenzentrum Wirtschaft und Sozialversicherung, 1998 Eröffnung des Erweiterungsbaus.

5) Architektur in Berlin. Jahrbuch 1999. Hrsg. von der Architektenkammer Berlin. Berlin 1999, S. 72-73; Strenger Monolith. Abgrenzung und Annäherung: die Erweiterung eines Schulgebäudes. in: Bauzeitung. Zeitschrift für integriertes Bauen und Baurecht 55 (2001), Heft 3, S. 32-36. Dem Neubau wurde der Bundesdeutsche Architekturpreis Putz 2001 verliehen.

Literatur:

  • BusB V C 1991 / Seite S. 402
  • Topographie Treptow-Köpenick/Nieder- und Oberschöneweide, 2003 / Seite 113-115

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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