Denkmaldatenbank
Christuskirche
09020087 | |
Bezirk | Treptow-Köpenick |
Ortsteil | Oberschöneweide |
Adressen | Firlstraße 16 |
Denkmalart | Baudenkmal |
Sachbegriff | Kirche ev. |
Datierung | 1906-1908 |
Entwurf | Leibnitz, Robert (Architekt) |
Ausführung | G. und C. Gause (Baugeschäft) |
Bauherr | Gemeindekirchenrat der ev. Christusgemeinde (Gemeindekirchenrat) |
Am westlichen Ende der Rathausstraße, der heutigen Griechischen Allee, bildet die evangelische Christuskirche zusammen mit dem Gemeindehaus und mehreren Schulen einen städtischen Mittelpunkt. (1) Der nach Norden orientierte Kirchenbau beherrscht die Firlstraße, die sich hier zu einem rechteckigen Kirchplatz weitet. Die evangelische Kirchengemeinde in Oberschöneweide ließ die Christuskirche 1906-08 von Robert Leibnitz erbauen, einem Architekten, den Kaiser Wilhelm II. empfohlen hatte. (2) Der Kirchbaufonds der Kaiserin Auguste Viktoria beteiligte sich an den Baukosten. Der mächtige Backsteinbau folgt neuen künstlerischen Strömungen des frühen 20. Jahrhunderts. Spätgotische Bauformen sind mit einer monumentalen Architektursprache vereint. Robert Leibnitz entwickelte einen ungewöhnlichen Aufbau. Auf einem kreuzförmigen Grundriss ist ein Zentralbau angelegt. Über dem Kirchenraum, der Vierung, ragt ein wuchtiger Turm mit achtseitiger Haube auf. Die Kreuzarme tragen steile, weit unten ansetzende Satteldächer, an denen sich die wirkliche Höhe des Kirchenraumes nicht ablesen läßt. An der Eingangsseite im Süden ist ein polygonaler Vorbau ausgebildet, die Taufkapelle, die weit in das Kirchenschiff hineinragt. Robert Leibnitz verband das Raumsystem, dem Gedanken des Heimatschutzes folgend, mit einheimischen spätgotischen Bauformen. Die mächtigen Dächer, die Maßwerkfenster und Blendrippengiebel verweisen auf die mittelalterliche Baukunst der Mark Brandenburg. (3) Die großen Giebelflächen zeigen ein spätgotisches Maßwerkmuster mit weiß abgesetzten Blendfeldern. (4)
Der 1908 ausgeführte Kirchenraum erweckt den Eindruck einer spätmittelalterlichen märkischen Stadtkirche. Die Ausstattung scheint in Jahrhunderten gewachsen, ergänzt und erweitert worden zu sein. Das Netzgewölbe mit raumgreifenden Kappen setzt sehr weit unten an. (5) Die Rippen ruhen auf kostbaren, abwechslungsreich bearbeiteten Sandstein-Konsolen, die auf Gotthold Riegelmann, einen Berliner Bildhauer zurückgehen. (6) Die Emporenbrüstung, bemalt von Max Kutschmann, (7) zeigt farbige spätgotische Maßwerkmuster, die Rahmung dagegen bildet Schnitzwerk des 17. Jahrhunderts nach. Mit dieser Mischung von Stilformen sollte die heimatliche Geschichte Brandenburgs erlebbar gemacht werden. An Altar und Orgel ist diese Gestaltung fortgeführt. Der geschnitzte Altaraufsatz wirkt wie ein spätgotischer Flügelaltar, der in nachmittelalterlicher Zeit umgestaltet wurde. Im Schrein sieht man den gekreuzigten Christus vor einer golden strahlenden Landschaft. Die seitlichen Felder des Altars wurden mit einem filigranen Rankenwerk versehen, während verschlungene Ranken und Bänder ein barockes Gesprenge ausbilden. Für den Orgelprospekt malte Max Kutschmann Maßwerkfelder nach spätmittelalterlichem Vorbild, während der geschwungene Aufsatz mit Rankenwerk und Kartusche auf das 18. Jahrhundert verweist.
1) [Vollendung der Christuskirche in Ober-Schöneweide] in: Berliner Architekturwelt 12 (1910), S. 284; [Evangelische Kirche in Oberschöneweide] in: Berliner Architekturwelt 15 (1913), S. 184-185; Kühne/Stephani 1978, S. 430; Bau- und Kunstdenkmale Berlin II, S. 321; Badstübner, Ernst und Badstübner-Gröger, Sibylle: Kirchen in Berlin. Berlin 1987, S. 206; BusB VI, S. 109, 388-389; Dehio Berlin 2000, S. 234; Seeböck 2000, S. 37-38.
2) Robert Leibnitz hatte in Jerusalem für Kaiser Wilhelm II. die Erlöserkirche gebaut, die als Monument des evangelischen Glaubens in Preußen und des Deutschen Reiches insgesamt gilt.
3) Robert Leibnitz setzte die Architektursprache der Christuskirche später an anderen Bauten fort. Die Königin-Luise-Kirche in Berlin-Waidmannslust, erbaut 1912/13, ist nach Gedanken des Heimatschutzes gestaltet. Der Architekt griff bewusst Motive der mittelalterlichen Architektur in Brandenburg auf. Der Giebel an der Eingangsseite orientiert sich am Rathausgiebel in Tangermünde.
4) Vorbild waren Backsteingiebel in Bernau und in Fürstenwalde. An der Marienkirche in Bernau sind der Ostgiebel des Nordanbaus und der Südgiebel des Südanbaus mit Blendgliederungen verziert. Beide Giebel stammen aus der Zeit um 1500, während das Rathaus in Fürstenwalde nach 1511 errichtet wurde. Die Gliederungen aus verschlungenen Kielbögen und Ovalfeldern leiten sich von den spätgotischen Backsteingiebeln der sächsischen Kunstlandschaft ab, vgl. Donath, Matthias: Spätgotische Giebel in Sachsen. Beucha 2001, zu den Bauten in Brandenburg S. 85-90.
5) Der Abstand zwischen Fußboden und Kapitellzone ist geringer als der Abstand zwischen Kapitellzone und Gewölbescheitel.
6) Vor natürlich erscheinendem Blattwerk sieht man Masken und raumgreifende Figuren. Abgebildet sind die Evangelisten mit ihren Symbolen, Engel, dazu in den Raumecken die Bauleute einer mittelalterlicher Kirchen mit Steinmetzwerkzeug, Maurerkelle, Winkel und Bauplan [Südlicher Kreuzarm, Ostseite: Steinmetz mit Steinmetzwerkzeug / weibliche Maske / Frau mit Winkelmesser / männliche Maske; südlicher Kreuzarm, Westseite: Bauarbeiter mit Richtscheit / weibliche Maske / Figur, die in ein Horn bläst / männliche Maske; östlicher Kreuzarm, Ostseite: Baumeister mit Dreieck / Blattwerk / Blattwerk / Zeichnender Baumeister mit Skizzenbuch; westlicher Kreuzarm, Westseite: Bauarbeiter mit Maurerkelle / Blattwerk / Blattwerk / Baumeister mit Zirkel und Bauplan; Chor: Kapitellblöcke mit Blattwerk; Kapitellblock an der südöstlichen Ecke der Vierung: Evangelist Matthäus mit Buch / Engel / Engel; Kapitellblock an der südwestliche Ecke der Vierung: Evangelist Johannes mit Schriftrolle / Adler / Engel; Konsol an der nordwestlichen Ecke der Vierung: Evangelist Lukas mit Buch / Stier / Engel; Konsol an der nordöstlichen Ecke der Vierung: Evangelist Markus / Löwe / Engel] Die Modelle für diese Skulpturen stammen von Gotthold Riegelmann, einem Berliner Bildhauer, der von Kaiser Wilhelm II. besonders gefördert wurde. Gotthold Riegelmann schuf u.a. die skulpturale Ausstattung für das Kaiserschloss in Posen, für Reichstag, Preußisches Herrenhaus und Preußisches Abgeordnetenhaus in Berlin.
7) Max Kutschmann bemalte große Leinwandbahnen, die auf die hölzerne Emporenbrüstung aufgezogen wurden. In gleicher Technik sind auch die Malereien am Orgelprospekt ausgeführt. Die Emporenbrüstung ist mit der Jahreszahl "MDCCCCVIII" bezeichnet.
Literatur:
- Topographie Treptow-Köpenick/Nieder- und Oberschöneweide, 2003 / Seite 122 f.
Kontakt
Juliane Stamm
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