Denkmaldatenbank
Reichsdruckerei, Bundesdruckerei
09011328 | |
Bezirk | Friedrichshain-Kreuzberg |
Ortsteil | Kreuzberg |
Adressen | Oranienstraße 91 Alte Jakobstraße 110 |
Denkmalart | Gesamtanlage |
Sachbegriff | Druckerei & Verwaltungsgebäude & Gewerbebau |
Datierung | 1849-1851, 1879, 1892-1897, um 1905, 1922-1925, 1957-1958, 1974 |
Entwurf | Prüfer, Gustav Emil |
Entwurf | Busse, Carl |
Entwurf | Helmberger, Franz |
Entwurf | Lemoine, Prosper |
Bauherr | Preußischer Staat |
Bauherr | Reichspost |
Bauherr | Bundespostministerium |
Den ersten großen Baublock unmittelbar hinter der Grenze zur Friedrichstadt an der Oranienstraße nimmt die ehemalige Reichsdruckerei, heute Bundesdruckerei, ein. (1) Auf dem Grundstück Oranienstraße 91 und Alte Jakobstraße 110 steht ein umfangreicher Gebäudekomplex aus über dreißig Einzelgebäuden und mehreren Innenhöfen. Er dokumentiert die Entwicklung der wichtigsten deutschen Staatsdruckerei von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart und bildet damit ein Element der Kontinuität in der großflächig zerstörten westlichen Luisenstadt. Die Bauten, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Ersatz für zerstörte Bauteile entstanden, stellen eine bemerkenswerte Wiederaufbauleistung dar. Ohne den historischen Standort aufzugeben, der durch die Sektoreneinteilung der Besatzungsmächte allerdings in eine Grenzlage gerückt war, wählte man eine moderne, zeitgemäße Formensprache. Damit vermitteln diese Gebäude beispielhaft die Gestaltungsprinzipien der Wiederaufbauzeit.
Die Bundesdruckerei, ein weltweit führendes Unternehmen für die Herstellung von Personaldokumenten, Hochsicherheitskarten, Banknoten, Briefmarken und Steuerzeichen ist aus der Königlich-Preußischen Staatsdruckerei hervorgegangen, die seit 1852 in der Oranienstraße ansässig war. Aus der Entstehungszeit ist ein von der Oranienstraße zurückgesetztes Druckereigebäude erhalten geblieben (Gebäude 1), das 1849-51 durch Gustav Emil Prüfer vermutlich nach einer Entwurfsskizze von Friedrich August Stüler erbaut wurde. Die spätklassizistische Architektur ist trotz der umfassenden Nachkriegsreparaturen und der Überputzung der ursprünglichen Backsteinfassaden an der Abfolge der Segmentbogenfenster ablesbar. Insbesondere das Treppenhaus zeigt die klare Formensprache der Bauzeit, die sich an Vorbildern der italienischen Renaissance orientierte.
1879 verfügte Generalpostmeister Heinrich Stephan die verwaltungstechnische Vereinigung der Königlich-Preußischen Staatsdruckerei mit der Geheimen Oberhofbuchdruckerei von Rudolph Ludwig Decker, die sich seit 1763 im Besitz der Familie Decker befunden hatte. Aus beiden Druckunternehmen wurde die Reichsdruckerei gebildet, die als obere Reichsbehörde unmittelbar dem Reichspostminister unterstellt war und Wertpapiere aller Art, Banknoten, Briefmarken sowie Gesetzestexte und andere amtliche Druckerzeugnisse herstellte. Nach einer umfangreichen Erweiterung des Standorts wurde 1879-81 an der Oranienstraße 90-91 ein Verwaltungsgebäude in den Stilformen der italienischen Renaissance errichtet, für das der erste Direktor der Reichsdruckerei, der Geheime Oberregierungsrat und Regierungsbaumeister Carl Busse, die Pläne erstellte. Ebenfalls von Busse stammten die Entwürfe für die zwischen 1890 und 1897 errichteten Erweiterungsbauten an der Oranienstraße/Alte Jakobstraße. Dabei wurde die Blockecke mit einer mächtigen Kuppel betont. Nach der Kriegszerstörung stehen davon nur noch einige hofseitige Gebäudeteile, darunter ein Rest des Verwaltungsgebäudes, ein Werkstattgebäude (Gebäude 6) und ein Querflügel (Gebäude 10). Ein wesentliches Formelement sind die hohen Rundbogenfenster der Erdgeschosshalle des Werkstattgebäudes und die Rundbogenarkaden der zweigeschossigen Verbindungsgalerie, deren Fassaden von der Materialwirkung der Ziegel gestalterisch bestimmt sind. Baukünstlerisch wertvolle Zeugnisse sind außerdem die weitgehend bauzeitlich erhaltenen Treppenhäuser mit ihren schmiedeeisernen Geländern. Die Verbindungsbrücke führt zu einem bereits 1879 erbauten Hofflügel (Gebäude 5), in dem Druckmaschinen aufgestellt waren. Während die Fassaden dieses Gebäudes um 1935 und nach 1945 verändert wurden, zeigen die Treppenhäuser noch die ursprüngliche Gestaltung.
Nach 1900 wurde der Standort durch den Zukauf mehrerer Grundstücke bis zur Kommandantenstraße erweitert. Im Zuge des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs ließ die Reichsdruckerei zwischen 1900 bis 1905 an der Alten Jakobstraße 110-112 ein neues Werkstattgebäude mit seitlichen Quergebäuden (Gebäude 15 und 22) und westlich anschließende Verbindungsbauten (Gebäude 13, 14 und 21) errichten. Weiterhin entstanden ein Gartenflügel (Gebäude 11) und eine Werkstattbaracke (Gebäude 12). Diese Gebäude mit ihren schlichten Backsteinfassaden, die größtenteils erhalten geblieben sind, bezeugen das wachsende Auftragsvolumen, das die Reichsdruckerei nach der Jahrhundertwende zu bewältigen hatte.
Nachdem bereits 1914 Pläne für eine nochmalige Erweiterung erstellt worden waren, errichtete die Reichsdruckerei 1922 bis 1925 unter der Leitung des Direktors Franz Helmberger auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks Kommandantenstraße 7-9 einen zwei Höfe umschließenden Neubau für Druckwerkstätten (Gebäude 20, 24, 25). Die benachbarte Werkstattbaracke (Gebäude 12) wurde umgebaut und aufgestockt. Die Bauteile folgen den Gestaltungsprinzipien der Berliner Geschäftshausarchitektur vor dem Ersten Weltkrieg. Die Fassadenwirkung beruht auf dem klaren Raster vertikaler Stützen und horizontaler Fensterbänder sowie auf der für Gewerbehöfe typischen Verkleidung mit weißen Glasurklinkern. Aufgrund der ständig steigenden Produktion kam es nach 1930 zu einer weiteren baulichen Verdichtung und Aufstockung vorhandener Gebäude. Pläne für eine Verlagerung der Reichsdruckerei an den Stadtrand scheiterten an einer Entscheidung über die Finanzierung und wurden 1943 kriegsbedingt eingestellt.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Druckereistandort erheblich zerstört. Aus der Reichsdruckerei ging die Staatsdruckerei Berlin hervor, die 1949 von der Bundesrepublik Deutschland übernommen und als Bundesdruckerei fortgeführt wurde. Die Bundesbehörde behielt ihren Sitz in Berlin, um die enge Bindung von West-Berlin an die Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck zu bringen. Obwohl die Sektorengrenze und später die Berliner Mauer unmittelbar am Grundstück verlief, war die Bundesdruckerei nach wie vor für die Herstellung hoheitlicher Drucksachen und Wertpapiere, darunter Pässe und Ausweise, zuständig. Anstelle des zerstörten Verwaltungsgebäudes, dessen Ruinen man um 1955 beseitigt hatte, wurde 1956-58 unter Einbeziehung der Fundamente des Vorgängerbaus ein neuer Verwaltungstrakt (Gebäude 8 und 9) errichtet. Dabei wurde die Baufluchtlinie in der Oranienstraße deutlich zurückgesetzt. Die Pläne erstellte der Architekt Prosper Lemoine von der Hochbauabteilung der Landespostdirektion Berlin. (2) Die Baugestalt ist typisch für die Nachkriegsmoderne in West-Berlin. Der fünfgeschossige Bau ist mit gelbgrauen Keramikplatten bekleidet, wobei die Obergeschossfenster mit den dunklen Brüstungsfeldern ein Raster bilden. Eine bemerkenswerte künstlerische Raumschöpfung stellt das Haupttreppenhaus dar. Die Treppenläufe und filigranen Geländer sind um ein kreisförmiges Treppenauge gewunden. Die geschwungene Treppenhausfassade öffnet sich mit fünf gebäudehohen Ornamentglasfenstern in gelb eloxierten Aluminiumrahmen zum Innenhof. 1974 wurde der westliche Bauteil mit der Durchfahrt an der Oranienstraße ergänzt. In seiner Fassadengestaltung und mit den verwendeten Materialien entspricht er vollkommen dem älteren Gebäudeteil.
Die letzte Erweiterung des Druckereistandorts erfolgte entlang der Kommandantenstraße. 1997 wurde ein fünfgeschossiger Industriebau mit Tresor und Produktionshalle in Betrieb genommen. Es folgte 2002 ein Bürohaus, dessen Hoffassade durch verschiebbare farbenfrohe Paneele geprägt ist. Die Pläne erstellten die Berliner Architekten BHHS & Partner. Nach einer 1999 erfolgten Privatisierung ist die Bundesdruckerei GmbH seit 2009 wieder vollständig in Bundesbesitz, was weitere Erweiterungsmaßnahmen zur Folge hatte.
(1) Zur Geschichte der Bundesdruckerei und ihrer Bauten vgl. Busse, Carl: Die Reichsdruckerei in Berlin. In: Zeitschrift für Bauwesen 39 (1889), Spalte 313-316, Atlas: Tafel 38-40; Dietzmann, Kurt: Die Bundesdruckerei. In: Jahrbuch des Postwesens 14 (1964), S. 401 ff.; Gnewuch, Gerd: 100 Jahre Bundesdruckerei, Berlin 1979; BusB X B (4), S. 47, 89, 113, 177-180.
(2) Zu den bekannten Bauten von Prosper Lemoine gehört neben dem Gebäude der Bundesdruckerei (1956-58) und dem Postamt Britz (1960-62) vor allem das Postscheckamt Berlin-West (1965-71), ein dreiundzwanziggeschossiges Bürohochhaus am Halleschen Ufer mit dunkelgrauer Aluminiumfassade. Darüber hinaus war Prosper Lemoine als Baubeamter auch für kleinere Umbauten an bestehenden Postgebäuden und für den Neubau nach vorgegebenen Typenentwürfen des Fernmeldetechnischen Zentralamts in Darmstadt verantwortlich. Vgl. BusB X B (4), S. 47, 89, 113, 177, 178, 181, 192, 198, 202, 204, 205, 206, 208, 213.
Literatur:
- Dietzmann, Kurt: Die Bundesdruckerei, Sonderdruck aus dem Jahrbuch des Postwesens, 1964 / Seite 401
- BusB X B 4 / Seite 47, 89, 113, 177ff.
- Zeitschrift für Bauwesen 39 (1889) / Seite 314f.
- Gnewuch, Gerd: 100 Jahre Bundesdruckerei, 1979 und 125 Jahre Bundesdruckerei, 2006 / Seite www.bundesdruckerei.com
- Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 189 f.
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