Denkmaldatenbank

Invalidenfriedhof mit Resten der Grenzmauer und Grabstätten

Obj.-Dok.-Nr. 09010206
Bezirk Mitte
Ortsteil Mitte
Adressen Scharnhorststraße 33
Denkmalart Gartendenkmal
Sachbegriff Friedhof
Datierung ab 1748

Im Auftrag Friedrichs II. entstand 1748 für die Invalidenhausgemeinde der Invalidenfriedhof, Scharnhorststraße (Abb. 637-638, Liste Nr. 705). Auf dem 250 Jahre alten Friedhof sind viele Persönlichkeiten, insbesondere Militärs begraben, die in der deutsch-preußischen und der Berliner Geschichte eine bedeutende Rolle gespielt haben. Trotz zahlreicher Verluste infolge seiner Lage im ehemaligen DDR-Grenzgebiet weist er noch immer einzigartige Zeugnisse der Berliner Sepulkralkultur auf.

Eigentlich für die Bewohner des Invalidenhauses gegründet, nahm der Friedhof frühzeitig auch zivile Mitglieder der Invalidenhausgemeinde wie Angehörige der Invaliden oder die auf dem Anwesen tätigen Pächter auf. (1) 1824 wurde ein spezielles Feld für die Beisetzung der "Nobilitäten der Armee" bestimmt, das dem Feld C entspricht. (2) Seit 1850 erhielten auch Staatsbeamte Theologen, Gelehrte, Unternehmer und Künstler hier eine gebührende Beisetzungsstätte. Nach der Entmilitarisierung des Invalidenhauses im Jahre 1920 wurden zahlreiche Gräber von mehr als dreißig Jahren Bestand eingeebnet, sodass die 1925 noch gezählten 6000 Grabstellen 1941 bereits um die Hälfte reduziert waren. (3) Einige Symbolfiguren des Nationalsozialismus beziehungsweise mit dessen Ideologie verbundene Personen fanden hier ihre Ruhestätte. (4) Gleichzeitig wurden auf dem Friedhof Personen des Widerstandes gegen das NS-Regime bestattet wie z. B. Oberst Wilhelm Staehle. (5) Zum Ende des Zweiten Weltkrieges mussten zahlreiche Kriegstote in Massengräbern auf dem Gelände des heutigen Mauerstreifens beigesetzt werden. Die Spuren der Kampfhandlungen der letzten Kriegstage sind noch an einigen Grabmalen sichtbar.

Auf den Grabfeldern A und C haben sich bis heute die ältesten und die bedeutendsten Grabmale erhalten. Aufgrund der Dichte des Denkmalbestandes und seiner herausragenden Bedeutung wurde im Feld C das Wegenetz teilweise wieder hergestellt. Es blieb vorzugsweise den Helden der Befreiungskriege vorbehalten, einige Monumente tragen Widmungsinschriften von König Friedrich Wilhelm III. und König Friedrich Wilhelm IV.

Auf dem Grabfeld A konnten durch archäologische Freilegungen einige sandsteinerne Sarkophag-Gräber aus dem 18. Jahrhundert freigelegt werden, die teilweise durch Reliefs mit Inschriften, Wappen und Todessymbolen aufwendig gestaltet sind. Jüngere Beispiele für diesen Grabtyp sind durch die Gräber für den Grafen Tauentzien von Wittenberg (gest. 1824), G. F. von Kessel (gest. 1827), C. F. W. von Reyher (gest. 1857) und für von Generaloberst Hans von Seeckt (gest. 1936) überliefert.

Ein besonderes Schmuckstück vom Ende des 18. Jahrhunderts und noch den Stilelementen der barocken Plastik verpflichtet stellt das Monument für den Invalidenhaus-Kommandanten Ernst Otto von Reineck (gest. 1791) dar. (6) Den kannelierten Säulenstumpf bekrönt eine Urne mit zwei als Relief gearbeiteten Männer- (Sklaven-)köpfen und Wappen von großer handwerklich-künstlerischer Qualität. Am Sockel ist, als Relief gearbeitet, Ruhmeszeug - Helm, Federbusch, Schild, Schwert und Köcher - abgebildet, umwunden von einem Lorbeerkranz. (7)

Ebenfalls aus der Frühzeit des Friedhofs stammen die Monumente für den Invalidenhaus-Kommandanten von Diezelsky, für Johann Friedrich von Pelkowsky und für Friedrich Wilhelm von Rohdich. Es handelt sich um hoch aufragende mit ausführlichen Inschriften versehene bekrönte Sandsteinpostamente aus der Zeit um 1800. Heute sind nur noch wenige Beispiele dieses Grabtyps auf den Berliner Friedhöfen erhalten. Während das Diezelsky-Monument mit bekrönendem Schild, Harnisch, Helm und sowie auf der Ostseite des Postaments mit einem Porträtmedaillon aufwendiger gestaltet ist, schmückte das Pelkowsky-Monument ursprünglich eine für die Entstehungszeit typische schlichte Schmuckurne. (8) Mit der Doppelanlage für die Gebrüder Pirch haben sich zwei herausragende Monumente desselben Grabtyps aus Gusseisen erhalten. Sie entstanden 1824 vermutlich in der Königlichen Eisengießerei. Mit einem mehrstufigen von Profilbändern gegliederten Sockel, dem profilierten abgestuften Postament mit Inschriften, Wappen und abschließendem umlaufendem Ziergesims, auf dem sich die auskragende Deckplatte mit Lorbeerkranz und Helm befindet, sind sie der Berliner Denkmalkunst des Klassizismus verpflichtet. Ein jüngeres Beispiel desselben Grabtyps ist die Grabanlage für den Freund und Vertrauten Friedrichs des Großen, Hans Carl von Winterfeld (gest. 1757) auf dem Grabfeld C. Sie wurde 1857, nach der Umbettung des Verstorbenen auf den Invalidenfriedhof, errichtet. Das monumentale Granitdenkmal wird von einer opulenten Trophäe bekrönt, die vermutlich auf den Heraldiker und Bildhauer Heinrich Freiherr von Lebedur zurückgeht, der das Porträtmedaillon, das Wappen und das Relief an der Rückseite des Postaments aus Bronze schuf. (9)

Ebenso wie die Denkmale Pirch gehört auch das Grabmal für den Berater und Vertrauten König Friedrich Wilhelm III., Job Wilhelm von Witzleben (1783-1837) zu den bedeutendsten Eisengussgrabmalen des 19. Jahrhunderts in Deutschland. 1841 aufgestellt, ist das Baldachingrab eines der letzten nach einem Schinkel-Entwurf hergestellten Werke. In die an der Renaissance orientierte Gewölbe-Architektur über hohem Postament ist die Figur eines weiblichen Genius gestellt und anstelle von Mittelakroterien zieren vier bekrönte königliche Adler den Baldachin. (10)

Südlich des Witzleben-Grabes befindet sich die Grabanlage für den General Gerhard von Scharnhorst (1755-1813) und seine Familie. Es gilt als das Hauptwerk der klassizistischen Grabmalkunst des 19. Jahrhunderts und als eines der reifsten Werke Schinkels. Ursprünglich für den Begräbnisort des an den Folgen seiner Verwundungen aus der Schlacht von Groß-Görschen in Prag 1813 Verstorbenen konzipiert, wurde das Denkmal nach der Umbettung Scharnhorsts 1826 über dem Gruftgewölbe errichtet und konnte 1834 enthüllt werden. Der marmorne Hochsarkophag wird von zwei starken über einem Sockel aufgeführten Marmorpfeilern getragen. Ein umlaufendes Relief von Friedrich Tieck stellt die wesentlichen Momente aus dem Leben des Verstorbenen dar. (11) Den bekrönenden schlafenden Löwen führte Theodor Kalide nach dem Modell von Rauch aus. Er wurde in der Königlichen Eisengießerei hergestellt und gilt als deren bronzenes Hauptwerk. Die Grabanlage vollendet ein Stabgitter, ausgeführt nach Schinkels Modellvorlagen für Geländer, das auch für die Grabstätte von Winterfeld verwendet wurde.

Scharnhorst war der große Reorganisator des preußischen Heeres, sein Freund, Generalfeldmarschall von Boyen (gest. 1848) setzte dessen Militärreform fort und führte die Landwehr ein. Die Familiengrabstätte von Boyen befindet sich unmittelbar östlich des Grabes von Scharnhorst. Die sandsteinerne Rückwand der wieder hergestellten Gittergrabstelle trägt die Inschriften. Ehemals befanden sich auf ihren Eckpodesten zwei hohe symbolisierende Säulen mit Ruhmesgöttinnen, die nicht erhalten sind.

Ebenfalls östlich des Scharnhorst-Grabes hat die Familie des Generalleutnants Friedrich von Rauch (gest. 1850) ihre Ruhestätte. Die beeindruckende Komposition schlichter Marmorkreuze, deren Zentrum das bogenumwölbte Grabkreuz des Generalleutnants bildet, geht auf einen Entwurf von Stüler zurück. Zahlreiche Grabsteine und Fragmente werden in dem Lapidarium an der Nordseite des Friedhofes neben dem Verwalterhäuschen verwahrt.

Gravierende, das Erscheinungsbild der Anlage bis heute prägende Zerstörungen erlitt der Friedhof im Zuge der DDR-Grenzsicherung nach dem 13. August 1961. Auf den ehemaligen Grabfeldern E, F, G wurde nach der Teilung der Stadt ein Todesstreifen mit Mauern und Wachtürmen angelegt und in den nachfolgenden Jahren, insbesondere 1973 und 1975, in diesem Bereich sämtliche Grabmale abgeräumt und die Bäume sowie sonstige Vegetation beseitigt. In der Sperrzone hinter dem Grenzzaun fielen ebenfalls zahlreiche, zum Teil kulturhistorisch bedeutsame Grabmale den Abräumaktionen zum Opfer. (12) Vor der vollständigen Einebnung schützten den Friedhof die Grabstätten bedeutender Persönlichkeiten der Befreiungskriege 1813-15, wie zum Beispiel des Generals Gerhard von Scharnhorst oder des Freiheitskämpfers Friedrich Friesen. (13)

Die seit 1990 anhaltenden denkmalpflegerischen Maßnahmen, die auch den Erhalt der Berliner Mauer (Abb. 638, Liste Nr. 41) auf dem Invalidenfriedhof beinhalten, sollen dazu beitragen, den außergewöhnlichen Zeugniswert des Ortes für die Militär-, Kriegs- und Stadtgeschichte sowie der deutschen Teilung zu bewahren und der Öffentlichkeit zu erschließen.

Der Invalidenfriedhof ist heute nur noch ein Torso der ursprünglichen Anlage. Trotzdem kann man ihn als einzigartiges Dokument der politischen und militärischen Geschichte Deutschlands seit der Zeit Friedrichs des Großen bis in die Gegenwart hinein bezeichnen. Die noch bewahrten und wieder hergestellten Grabmale bestimmen das Erscheinungsbild in einer durch Rasenflächen mit nur wenigen Altbäumen sowie friedhofstypischen Pflanzen geprägten Umgebung.


1) Zum Invalidenhaus gehörten eine evangelische und eine katholische Kirche, aus der 1860 eine eigene Pfarrei entstand, die auch die Berliner Einwohner nördlich der Stadtmauer versorgte. Der katholische St. Hedwigs-Friedhof am Oranienbuger Tor nahm ab 1777 auch die katholischen Invaliden auf. Vgl. Demps 1996, S. 35-44; Demps 1993, S. 10-19.

2) 1824 ging das feudale Besitztum des Invalidenhauses in das Eigentum des Preußischen Staates über. Die Bestimmung zur Beisetzung der adligen Militärs war Bestandteil der Königlichen Kabinetts-Ordre von 1824. Vgl. Demps 1993, S. 10f.; Demps 1996, S. 46-51.

3) Der langjährige Friedhofsinspektor Karl Friedrich Treuwerth stellte 1925 in seinem Friedhofsführer die bestatteten Militärs, darunter ranghohe in den Vordergrund. Er führte 11 Generalfeldmarschälle und Generalobersten, 7 preußische Kriegsminister, 9 Admirale, 67 Generale der Waffengattungen, 104 Generalleutnants, 93 Generalmajore sowie 25 Militärschriftsteller, Gelehrte und Beamte auf. Treuwerth 1925, S. 91-104, Harnack 1941.

4) Vgl. Demps 1996, S. 79ff.

5) Oberst Wilhelm Staehle (1887-1945), letzter Kommandant des Invalidenhauses, wurde 1945 von der Gestapo erschossen; weiterhin Oberstleutnant Fritz von der Lancken (1890-1944), 1944 hingerichtet, Carl August Freiherr von Gablenz (1893-1942), Direktor und Vorstandsmitglied bei der Deutschen Lufthansa, Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch (1880-1939).

6) Aus konservatorischen Gründen heute im Lapidarium neben dem Verwalterhäuschen aufgestellt.

7) Als Analogiebeispiel darf das Grabmal für Leopold Otto Friedrich von Gaudi auf dem Friedhof IV der Jerusalems- und Neuen Kirche in Berlin-Kreuzberg angeführt werden.

8) Das Denkmal von 1940 befindet sich im Lapidarium neben dem Verwalterhäuschen.

9) Freiherr von Lebedur war ebenfalls auf dem Invalidenfriedhof bestattet worden, jedoch ist sein Grab nicht erhalten.

10) Ein ähnliches, gleichermaßen bedeutendes Grabdenkmal in gotisierenden Formen ist das für Teichert auf dem Garnisonfriedhof.

11) Heute schmückt eine Kopie aus Kunststein den Sarkophag. Das Original mußte aus konservatorischen Gründen gesichert werden.

12) Vgl. Demps 1996, S. 99ff.; Selmanagic, Azemina, Feuchtenberger, Ulf, Invalidenfriedhof Berlin, Gartendenkmalpflegerisches Gutachten im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Abt. III, Gartendenkmalpflege, Berlin 1991, S.14-16, Staudy 1990, S. 4ff.

13) Scharnhorst, Gerhard von (1755 - 1813), Generalstabschef des Preußischen Heeres, gest. 1813 in Prag, 1826 nach Berlin überführt; die höchste militärische Auszeichnung der DDR war der Scharnhorstorden.

Literatur:

  • Topographie Mitte/Mitte, 2003 / Seite 634-637
  • Invalidenfriedhof in Berlin. Aufruf des Fördervereins Invalidenfriedhof, Berlin 1993

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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