Denkmaldatenbank

Friedhof der St. Hedwigs-Gemeinde mit Grabstätten und Friedhofskapelle

Obj.-Dok.-Nr. 09010196
Bezirk Mitte
Ortsteil Mitte
Adressen Liesenstraße 8
Denkmalart Gartendenkmal
Sachbegriff Friedhof & Friedhofskapelle & Grabstätte
Datierung 1834, 1866-1867
Umbau 1987

Der 1834 geweihte Alte Domfriedhof St. Hedwig an der Liesenstraße 8 ist heute der älteste und zugleich bedeutendste katholische Friedhof in Berlin. (1) Obgleich die Begräbnisstätte durch die Grenzanlagen zu rund einem Drittel zerstört wurde, befinden sich auf dem erhaltenen geometrisch gegliederten Areal über zweihundert inventarisierte Grabstätten. Es handelt sich um repräsentative und hervorragende Dokumente der Grabmalkultur vom zweiten Drittel des 19. bis ins 20. Jahrhundert hinein. Sie sind in Motiv und Form meist der katholischen religiösen Bildkunst verpflichtet.

Im Osten ist die von der ehemaligen Stettiner Bahn begrenzte Anlage heute wieder durch einen Gitterzaun mit Hauptportal an der Liesenstraße zu betreten. Der hier beginnende Hauptweg führt über den Grenzstreifen mit Rasenflächen und einer neu gepflanzter Lindenreihe auf die im Zentrum des Friedhofs 1866-67 errichtete Friedhofskapelle St. Annen zu. Der in Backstein aufgeführte Zentralkuppelbau wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, ab 1987 rekonstruiert und konnte 1991 erneut geweiht werden. Er steht auf einer ehemals rechteckigen platzartigen Erweiterung, auf der sich in der Achse des Kapelleneingangs der von zwei Eiben gerahmte Sockel des zerstörten Aussegnungskreuzes von Wilhelm Achtermann befindet. (2) Der zentrale Platz mit Blick auf den Haupteingang der Kapelle hat 1996 durch die zwei flankierend aufgestellten Figuren eines betenden und eines trauernden Engels eine harmonische bildkünstlerische Rahmung erhalten. (3) Unmittelbar daneben befindet sich das Grab von Josef Limburg (1874-1955) der diese Skulpturen schuf. Neben dem Kapellenplatz wird der Friedhof durch geschlossene Reihen von Gittergrabstellen und Grabstellen mit Kleinarchitekturen besonders reizvoll strukturiert. Der Friedhof unterscheidet sich von den angrenzenden Anlagen durch einen dichten Vegetationsbestand und eine hohe Grabstättendichte. Mehrere ältere Bäume wie Eschen, Linden, Ahorn, Kastanie aber auch Trauerformen von Esche und Buche oder hoch aufragende Pappeln prägen mit jüngerem Baumbestand in lockerer Anordnung das Erscheinungsbild. Zahlreiche Koniferen und Immergrüne wie Taxus, Lebensbaum, Scheinzypresse, Buchsbaum, aber auch Hecken um größere Grabanlagen sowie eine artenreiche Krautschicht mit Efeu auf den Grabhügeln bilden die angemessene Umgebung der Grabmale. Das Wegenetz wird an einigen Stellen von Baumreihen einer Gattung und gleichen Alters begleitet.

Die Begräbnisflächen in unmittelbarer Umgebung zur Kapelle sind Geistlichen vorbehalten. So befinden sich hier die Gemeinschaftsgrabanlagen des Domkapitels von St. Hedwig, der Dominikaner-Klostermönche und der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Carl Borromäus. Im Zuge der Grenzsicherungen war das Grab für den Theologen und Begründer der katholisch-sozialen Studentenbewegung Carl Sonnenschein (1876-1929) an die Nordostseite des Kapellenplatzes verlegt worden. Das Grabdenkmal besteht aus einem etwa 3,50 Meter hohen Holzkreuz mit einer 1935 von Hans Perathoner geschaffenen Bronzefigur des Gekreuzigten, ein erstklassiges expressionistisches Werk. Nordwestlich des Platzes fand der von den Nationalsozialisten ermordete Priester und Dichter Ernst Thrasoldt (1876-1945) seine letzte Ruhe. Der Holzbildhauer Rudolf Heltzel schuf das 1961 geweihte Grabdenkmal mit einer ungewöhnlichen Pietá.

Am Kreuzungspunkt der Hauptwege südöstlich der Kapelle bildet die Grabanlage für die verwandten Familien Egells und von Renver einen besonderen Blickpunkt. Bei der um 1840 errichteten Anlage handelt es sich um das wohl älteste erhaltene Grab auf diesem Friedhof. Die klassizistisch geprägte schlichte verputzte Grabwand steht mittig zwischen den Gräberreihen. Das umlaufende Gitter, die die Wand bekrönenden Engelsfiguren und die Inschriftentafel sind hervorragende gusseiserne Werke aus der Eisengießerei von Franz Anton Egells (1788-1854) dem Begründer der ersten privaten Eisengießerei in Berlin und Lehrmeister von August Borsig. Das ehemals auf der Grabstätte der Medizinerfamilie von Renver angebrachte marmorne Epitaph wird heute in der Kapelle aufbewahrt; es handelt sich um ein Werk der italienischen Renaissance mit der seltenen Darstellung eines Christus in der Kelter, dessen Herkunft bislang nicht genauer geklärt werden konnte.

Einen weiteren besonderen Blickpunkt nahe des Kapellenplatzes und einen Höhepunkt in der Entwicklung der Grabmalarchitektur in Berlin nach 1900 bezeichnet die Grabstätte für den Königlichen Hofsteinmetzen Matthias Carl Schilling (1851-1909) und den Architekten und Steinmetzmeister Carl Schilling (1876-1939). Carl Schilling, dessen umfangreiches Schaffen durch zahlreiche Grabdenkmäler auf Berliner Friedhöfen und durch das Mitwirken an vielen öffentlichen Bauten der Stadt belegt ist, hatte hier einen offenen Grab- und Andachtstempel über oktogonalem Grundriss errichtet. Diese Anlage steht beispielhaft für die Verbindung von antikisierendem Formengut und christlichem Geist in der Sepulkralarchitektur vor dem Zweiten Weltkrieg. Ebenso hervorragend wie diese ist auch die am westlichen Ende des Hauptquerweges als Eckarchitektur komponierte Grabstätte der Bankiersfamilie Russell. Die über annähernd elliptischem Grundriss erbaute offene Wandarchitektur wurde 1908 nach Entwürfen des Münchner Bildhauers Adolf von Hildebrandt (1847-1921) errichtet.

Entlang des westlich verlaufenden Hauptweges stehen einige Monumente, die von Gräbern stammen, welche im Zuge der Grenzanlegung ab 1961 zerstört wurden. Zu den bedeutendsten unter ihnen zählen die Anlage für die Familie des Malers Peter von Cornelius (1783-1867), der Gedenkstein für den Maler Carl Begas d. Ä. (1794-1854) und die klassizistische Stele für den Bildhauer Geccardo Gilli (1798-1862) mit einem Porträtmedaillon, geschaffen von Alexander Gilli.


1) Der erste katholische Friedhof, 1777 an der Chausseestraße 121 (heute 128-129) eingeweiht, 1853 geschlossen, verfiel nach 1878 und wurde nach 1902 bebaut. Weitere Friedhöfe der Gemeinde befinden sich in den Bezirken Reinickendorf, Hohenschönhausen und Weißensee.

2) Das Monument war 1835 errichtet worden und diente der Aussegnung der Verstorbenen im Freien, solange es noch keine Kapelle gab. Nach diesem zwei Meter hohen Kruzifix von dem katholischen Bildhauer Wilhelm Achtermannn (1799-1884) sind zahlreiche Repliken entstanden, am bekanntesten ist das 1841/42 vom Künstler gefertigte und 1850 von Friedrich Wilhelm IV erworbene Exemplar aus Marmor im Mausoleum im Schloßpark Charlottenburg. Siehe auch Gottschalk 1991a, S. 23-40.

3) Diese Engel sollten in Auftrag von Wilhelm II. 1916 auf einen deutschen Soldatenfriedhof in Colonfag/Nordfrankreich aufgestellt werden, jedoch wurde die Gedenkstätte nicht in der geplanten Form realisiert. Mit der heutigen Aufstellung auf dem St. Hedwigs-Friedhof ist der ursprüngliche Kompositionsgedanke respektiert worden. Die Bildwerke waren bis zu seinem Abriß im Berliner Stadtschloß aufbewahrt und kamen anschließend auf den St. Hedwigs Friedhof.

Literatur:

  • Topographie Mitte/Mitte, 2003 / Seite 639-642
  • Gottschalk, Wolfgang: Die Friedhöfe der St.-Hedwigs-Gemeinde zu Berlin, Berlin1991 / Seite 22-40

Kontakt

Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
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