Denkmaldatenbank

Kath. St. Agnes-Gemeindezentrum

Obj.-Dok.-Nr. 09010156
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Ortsteil Kreuzberg
Adressen Alexandrinenstraße 118, 121
Denkmalart Gesamtanlage
Sachbegriff Kirche kath. & Gemeindezentrum
Datierung 1964-1967
Entwurf Düttmann, Werner (Architekt)
Entwurf Bergner, Klaus & Münzing, Peter (Architekt)
Bauherr

Auf dem Geländestreifen zwischen Alter Jakobstraße und Alexandrinenstraße errichtete die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Berlin (GSW) nach Plänen von Wils Ebert und Klaus Müller-Rehm 1959-62 die Spring-Siedlung. (1) Das mit locker gruppierten Zeilenbauten und Punkthochhäusern bebaute Siedlungsgelände wird im Norden durch die Franz-Künstler-Straße begrenzt. Am Rand der Siedlung, in der Alexandrinenstraße 118-121, steht das 1964-67 erbaute Kath. St.-Agnes-Gemeindezentrum mit der gleichnamigen Kirche. (2) Die Pläne für die introvertierte Anlage zeichnete der Berliner Senatsbaudirektor Werner Düttmann unter Beteiligung von Klaus Bergner und Peter Münzing. Das traditionelle Bild einer Kirche, die als Stadt- oder Stadtteilzentrum die Umgebung beherrscht, wurde hier bewusst aufgegeben. Die Kirche erscheint als fensterloser überdimensionaler Block, der wuchtig die übrigen verschachtelten Bauglieder überragt. Die bedrohliche Monumentalität wird durch den kargen, etwas herausgerückten Turm unterstrichen, dessen Glockenkammer durch eine Einschnürung abgeteilt ist. Die Konstruktion aus Beton und Ziegelmauerwerk ist mit einem grauen Zementputz bedeckt. In funktioneller Einfachheit sind Gemeindezentrum und Kirche um einen rechteckigen Innenhof angeordnet, der von der Straße aus durch einen überdachten Zugang erschlossen wird. Den Innenhof umgeben verschieden hohe Gebäudekuben. An die Kirche schließt das Pfarrhaus mit Wohnungen für Pfarrer, Kaplan und Küster, ein Gemeindesaal mit Bühnenpodium sowie Kinderkrippe, Kindergarten und Kinderhort an. Damit ist St. Agnes ein markantes Beispiel für den katholischen Kirchenbau der 1960er Jahre, als in einzelne Funktionen differenzierte Gemeindezentren als neue Bauaufgabe hervortraten. Nach den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils 1962-65 wurde das Gemeindeleben in der katholischen Kirche intensiver und demokratischer. Soziale Dienstleistungen wie Kindergärten, Jugendclubs und Caritas bekamen eigene Räume und wurden fest institutionalisiert. Die Aufwertung der Gemeinde äußerte sich auch in der Liturgie mit der Ausrichtung des Altars zur Gemeinde hin. Werner Düttmann nahm diese Gedanken auf und entwarf für die katholische Gemeinde der Luisenstadt (3) einen wuchtigen, grauen Block, der sich als schmuckloser Behälter von der Außenwelt abkehrt. Er wollte einen von der hektischen Welt abgeschlossenen Raum der Stille, der Besinnung und der Begegnung mit Gott schaffen. In der formalen Reduktion und im Baustoff Beton sah Düttmann geeignete Mittel, um einen sakralen Raum größter Konzentration zu gestalten. "Wortkarge Wände" nannte Martina Düttmann diese Eigenschaft von Düttmanns Bauten. (4)

Man betritt die Kirche nicht durch ein großes Portal an der Straße, sondern durch einen eher unscheinbaren Eingang seitlich unter dem überdachten Durchgang. Vom Eingang aus öffnete sich unter der Empore im Osten eine Querachse, während sich nach Westen der eigentliche Kirchenraum erstreckt, der von hohen fensterlosen Wänden umgeben ist. Der Altarraum hat die gleiche Breite wie das Mittelschiff und war durch drei Stufen etwas erhöht. Dem Mittelschiff sind niedrige, im Dunkel liegende Seitenschiffe angegliedert. In der unteren Zone des Altarraums und innerhalb der Seitenschiffe sind die Wände mit Trümmerziegeln aus dem Kriegsschutt der umliegenden Stadtviertel ausgefacht, während die übrigen Wandflächen einen grauen Spritzputz tragen. Aussparungen in der abgehängten Holzdecke lassen diffuses Licht einströmen. Was den Raum auszeichnet, ist seine konzentrierte Kargheit. Düttmann verzichtete weitgehend auf die hergebrachte katholische Bilderwelt, um nicht von der Konzentration auf das Spirituelle und Heilige abzulenken. Die Einfachheit, ja Armut der Materialien setzte sich bei der Ausstattung der Kirche fort.

St. Agnes wurde 2005 von der katholischen Gemeinde aufgegeben und entwidmet, die liturgischen Gegenstände wurden abgebaut. Seit 2011 nutzt eine große Galerie den Kirchenbau als Ausstellungsraum. In das Kirchenschiff wurde ein Betontisch mit umlaufender Fuge eingestellt, der den Raum auf der Höhe der Empore horizontal in einen oberen Ausstellungsraum und ein unteres Schaulager teilt.


(1) BusB IV A, S. 399; BusB IV B, S. 590-593. Die Siedlung wurde 1966-67 durch zusätzliche Bauten verdichtet.

(2) Deutsche Bauzeitung 73 (1968), S. 579; Rave, Rolf/Knöfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1968, S. 63; Streicher/Drave 1980, S. 90, 96, 99, 163-164, 284-285; Düttmann, Martina: Kirche St. Agnes, 1964-67. In: Werner Düttmann. Verliebt ins Bauen. Architekt für Berlin 1921-1983, bearb. v. Haila Ochs, Basel-Berlin-Boston 1990, S. 130-141, 247, 289; BusB VI, S. 239-240, 424; Götz/Hoffmann-Tauschwitz 2003, S. 79-80; Wittmann-Englert, Kerstin: Zelt, Schiff und Wohnung. Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne, Lindenberg im Allgäu 2006, S. 138-140; Dehio Berlin 2006, S. 295; Donath, Matthias: Kirchensterben in Berlin. In: Das Münster 59 (2006), S. 55-56.

(3) Die Gemeinde St. Agnes wurde 1925 gegründet. Ihre Kirche war nur provisorisch in einer Reitbahn in der heute nicht mehr bestehenden Hollmannstraße untergebracht. 1945 wurde das dichte Wohngebiet in der westlichen Luisenstadt und in der benachbarten südlichen Friedrichstadt durch Bombardierung zerstört. Dabei wurde auch die zur Kirche umgenutzte Reitbahn vernichtet.

(4) Düttmann, Martina: Kirche St. Agnes, 1964-67. In: Werner Düttmann. Verliebt ins Bauen. Architekt für Berlin 1921-1983, bearb. v. Haila Ochs, Basel-Berlin-Boston 1990, S. 132, S. 158.

Literatur:

  • Düttmann, Martina: Kirche St Agnes, 1964-67, in: Ochs, Haila: Werner Düttmann, Architekt für Berlin 1921-1983, Verliebt ins Bauen, Basel/ Berlin/ Boston 1990 / Seite 130-141, 247, 289
  • Wittmann-Englert, Kerstin: Zelt, Schiff und Wohnung, Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne, Lindenberg im Allgäu 2006 / Seite 138-140
  • BusB VI 1997 / Seite 239-240, 424
  • Dehio Berlin, 2006 / Seite 295
  • Streicher, Gebhard; Drave, Erika: Berlin Stadt und Kirche, Berlin 1980 / Seite 90, 96, 99, 163-164, 284-285
  • Goetz, Christine; Hoffmann-Tauschwitz, Matthias: Kirchen Berlin Potsdam, Berlin 2003 / Seite 79-80
  • Rave/ Knöfel: Bauen seit 1900, 1968 / Seite 63
  • Deutsche Bauzeitung 1968 / Seite 579
  • Herrmann, Hilde (Hrsg.): Aufbau und Ausbau im Bistum Berlin, Berlin 1988, Nr. 5 / Seite .
  • Topographie Friedrichshain-Kreuzberg/Kreuzberg, 2016 / Seite 199 f.

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Juliane Stamm
Landesdenkmalamt Berlin
Redaktion Denkmalinformationssystem

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